Bayerischer Wald, Unterbayern, Oberbayern, Chiemgau
Die Roseninsel
Eine landschaftsmythologische Betrachtung
Gisela Lässig
Das Moränengebiet mit seinen sanften Hügeln, in das der See
gebettet ist, zeigt die Kennzeichen eines wenig entwickelten Gewässernetzes.
Nach dem Eisrückzug blieben in den Senken sehr viele kleine Seen zurück, die
verlandeten. Später tauten auch die Toteiskörper auf, das sind solche, die mit
Schotter bedeckt waren und deshalb lange Eiskörper blieben. Sie bildeten z.T.
tiefe Seen, von denen einige noch heute existieren. Die Landschaft ist
seenreich, aber flussarm.[2] Wie auf unsere Ahninnen
und Ahnen diese vielen kleinen fischreichen Seen, glucksenden Bächlein, murmelnden
Quellen, die feuchten Moorgebiete, die bezaubernde Stille, die sternenübersäte,
mondbeschienene Dunkelheit in der Nacht, der sanfte, warme Föhnwind, der das
blaue Band der Alpen fein plastiziert und der Ruf der Wasservögel gewirkt haben
mögen:
Wasser spielte kulturgeschichtlich zu allen Zeiten eine wichtige Rolle. Ohne Wasser kein Leben. Es war Eingang zur Unterwelt und Sitz des Todes sowie gleichermaßen des sich erneuernden Lebens. Quellen wurden als heilige Kultstätten, als Weisheits- und Schicksalsquellen verehrt und waren Sitz von Wassergöttinnen.[3] Auch Frau Holle wiegte nach altem Wiedergeburtsglauben in der Tiefe ihrer Seen und Seelenberge eine goldene Wiege und hütete darin die AhnInnenseelen und badete in ihren heiligen Gewässern im Frühling. Sie konnte jungen Frauen beim Baden Schwangerschaft schenken.[4] Hier also ein Land voller Wasser und Moore. Es muss einen ganz besonderen Zauber auf die Menschen ausgestrahlt haben.
Die Würm-Eiszeit, die diese Landschaft geschaffen hatte, wurde benannt nach der Würm, dem einzigen Abfluss des Sees. Kilometerdicke Gletscher schoben von den Alpen große Mengen von Geröll vor sich her, das die Wasser der schmelzenden Eismassen nach Norden bewegten. So entstand die Münchner Schotterebene. Die Endmoränen reichen bis kurz vor das Gebiet Münchens. Die Gletscherzunge selbst ging bis zur Karlsburg bei Leutstetten, nördlich des Sees. Die ehemals vom Eis gebildeten Seebecken sind heute die „Münchner Hausseen“, darunter der Starnberger See.
Der Blick vom See aus nach Süden auf das wunderbare Alpenpanorama geht vom Karwendelgebirge über die Benediktenwand, Jochberg und Herzogstand bis zur Zugspitze, jeder einzelne Berg einst heiliger Sitz der Großen Göttin.
Megalitische Bauten oder Steinkreise gibt es um den Starnberger See
nicht. Um die gesamte Nordspitze des Sees hatte das Eis aber Findlinge
mitgebracht, sog. erratische Felsblöcke. Heute sind sie weitgehend
beseitigt. Die Flurnamen am großen Stein und am hohen Stein weisen
darauf hin, dass einzelne meterhohe Findlinge nicht nur im Boden,
sondern auch an der Oberfläche
vorhanden waren. Auch der Goglnestacker
soll heute noch voller eigroßer Steine sein.[5]
Der bekannteste noch vorhandene Findling ist der von Percha. Er ist nicht
leicht zu finden. Auch Alteingesessene kannten ihn nicht. Hat man ihn aber
entdeckt, legt ein auf ihm befestigtes Kreuz die Vermutung nahe, dass er vor
Einzug des Christentums kultische Bedeutung gehabt haben musste. Nur so erklärt
sich, dass auf einem Stein mit starken Erosionsspuren und an unscheinbarer
Stelle ein Kreuz angebracht ist. Von hier aus hat man nach fast allen Seiten
einen freien B
lick auf den Himmel und gute Sicht auf die Nordspitze des Sees.
Die Indigenen Europas, auch die am Starnberger See, waren verbunden und eins mit der mütterlichen, nährenden Erde, mit Wasser, Luft, Felsen, Bergen, Inseln, Tieren, Pflanzen und allen Erscheinungsformen unserer schönen Welt sowie dem Kosmos. Sie haben auch diesen Stein als Form der universellen Urgöttinnen wahrgenommen und verehrt.
Die sehr kleine, 2,56 Hektar
große Roseninsel ist als einzige Insel des Sees dem Westufer etwa 170 Meter
vorgelagert und hat heute nur den Gärtner als Einwohner. Ihre Größe nimmt durch
Verlandung zu. Sie bildete sich ca. 18-13000 v.u.Z. als höchste Erhebung eines
Moränenhügels. Ob sich in matriarchaler Zeit über dem Wasserspiegel eine Hügelspitze
abzeichnete? Heute ist sie flach.
Die symbolische Landschaftsbedeutung von Inseln lag für matriarchale Menschen darin, dass sie den Eingang zur Unterwelt darstellten, zu Andersweltparadiesen. Oft werden sie in Mythen auch als „Land von Glas“ bezeichnet, wo es weder Leid gibt noch Hitze und Frost.[6]
Archäologische Funde
Die frühesten menschlichen Siedlungszeugnisse auf der Roseninsel stammen aus der Jungsteinzeit, Kernzeit des Matriarchats. Es wurden zwei Keramikscherben gefunden, die etwa 6000 Jahre alt sind und von der Münchshöfener Kultur stammen. Aus späterer Zeit fand sich Keramik von Menschen der Altheimer-, dann der darauf folgenden Chamer- und für das Ende der Jungsteinzeit der Schnurkeramischen Kultur.[7] Nirgends gibt es Gewaltspuren, die Kulturen folgten friedlich aufeinander. Aus späteren Epochen sind dann mehr archäologische Funde zu verzeichnen, solche aus der ausgehenden Frühbronze- (um 1500 v.u.Z.), aus der mittleren und späteren Urnenfelder- (um 1100-900 v.u.Z.) sowie der Frühlatènezeit (500-400 v.u.Z.).
Die wenigen Keramikfunde der jüngeren Jungsteinzeit lassen aus archäologischer Sicht keine länger dauernde, intensive Siedlungsphase auf der Insel erkennen. Das gleiche gilt für die etwas größere Anzahl der Funde aus der Zeit um 3000 v.u.Z. Daraus könnte man schließen, dass die Insel für kultische Zwecke genutzt wurde.
Erst seit ca. 1500 v.u.Z. lässt sich mit zahlreichen Fragmenten von
Tongefäßen, der Gussform eines Bronzebeils, Gewandnadeln und Messern eine
längerfristige Besiedlung nachweisen. Danach war die Insel wohl mehrere Jahrhunderte unbewohnt bzw. ungenutzt, anschließend gibt es wieder zahlreiche
Funde für Siedlungsbelege wie 70 Gewandnadeln, sieben Bronzemesser, zwei
Bronzebeile und vor allem einen Einbaum aus dem Jahr 900 v.u.Z. mit einer Länge
von 13,46 m. Die dritte dauerhafte Besiedlungsphase beginnt im 5. Jt. v.u.Z.
mit seiner keltischen, frühpatriarchalen Bevölkerung. Alle Funde stammen aus
dem Flachwasserbereich überwiegend von der Westseite der Roseninsel.[8]
Gisela Lässig
Es handelt sich um einen Auszug aus der Abschlussarbeit von Gisela Lässig an der Akademie HAGIA bei Heide Göttner-Abendroth. Die vollständige Arbeit kann im Archiv von MatriaWis und im MatriArchiv ausgeliehen werden.
[1] Michael Peters und Hermann Jerz: Der Starnberger See, Verlag
Dr. Friedrich Pfeil,
München, 2008, S. 35.
[2] Arne Friedmann und Michael Peters: Der Starnberger See, Verlag Dr.
Friedrich Pfeil,
München, 2008, S. 11 f.
[3] Barbara Stamer: Märchen von Nixen und Wasserfrauen. Fischer 1987. S. 10 f.
[4] Heide Göttner-Abendroth: Frau Holle. Helmer Verlag 2005. S. 138 f.
[5] Wolf-Armin Frhr. v. Reitzenstein: 2007, Starnberger Stadtgeschichte, Band 1, S. 147
[6] Vgl. Heide Göttner-Abendroth: Fee Morgane. Der heilige Gral, 1995, S. 126
[7] Ulrich Schlitzer: Der Starnberger See, Verlag Dr. Friedrich Pfeil, München, 2008, S. 122
[8] H. P. Uenze: Die Roseninsel im Starnberger See – documenta naturae Nr. 174 2009 S. 1 ff.