Region 12
Lech, Bodensee, Allgäu
Die Göttin-Triade in Bethenbrunn
Ein Gode-Kraftort am Bodensee
KaraMa Beran
Wenn wir uns in der Bodenseelandschaft bewegen, gehen wir auf den Spuren einer alteuropäischen, vor-indoeuropäischen Kultur mit Bezügen zum Mittelmeer und zum Orient.
Jungsteinzeitliche Besiedlungen sind seit dem 5. Jahrtausend an den Ufern des Sees bezeugt.
Aufgrund zahlreicher Funde, Symbole und landschaftsmythologischer Erkenntnisse findet Kurt Derungs Hinweise auf ein „matriarchales“ Weltbild jener Zeit in dieser Region.
In den wahrscheinlich kultisch genutzten Pfahlhäusern der Ufersiedlungen fanden sich das Gehörn eines riesigen Urstieres und aus Lehm geformte Brüste an der Wand. Zudem ein urnenförmiger Wasserkrug, verziert mit zwei Frauenbrüsten und ein kultisches Mondhorn mit kunstvollen Gravierungen, deren durchkomponiertes Zahlen- ,Schrift- und Symbolsystem auf die Bedeutung des Mondgestirns für den Alltag und die religiöse Vorstellungswelt hinweist.
Die jungsteinzeitlich-matriarchale Mythologie ist geprägt von einer Ahnfrau/Schöpfergöttin.
Ihre Wurzeln knüpfen sogar an noch ältere Spuren einer Großen Göttin an, wie die 17 schwarzen Frauenfigurinen (13.000 v.u.Zt.) aus dem Petersfelsen bei BITTEL-BRUNN zeigen.
Auch in der etymologischen Forschung werden wir fündig: Es gibt unzählige Orts- und Gewann-Namen, die mit der Beth zusammenhängen. (Betten-, Baiten-, Bittel-, Böten- u.a.m).
Der alte Name des Bodensees Lacus Venetus (vindo = weiß) und Lacus Brigantinus weist nach Derungs auf die Landschaftsmythologie der Weißen Göttin hin. Die Weiße Göttin Brigid wurde noch im 7. Jh. als dreifache Mondgöttin verehrt, bis ihr Standbild vom irischen Missionar Gallus (St. Gallen) zerstört und in den See geworfen wurde.
Eine der ältesten Göttinnen der Region Bodensee ist die Dana oder Ana, die sich später dreigestaltig als Ana (Am-)beth, Wilbeth und Borbet zeigt.
Die drei Bethen sind fraglos die drei Nornen, Parzen, Moiren, Perchten, Matronen, Idisen, Truden und andere Frauen-Trinitäten, die schließlich in den drei Marien christlich überformt wurden. Der Bethenkult ist hauptsächlich im Süden und Westen Deutschlands, in Bayern, Österreich und Südtirol belegt.
Die kompetente Bethen-Forscherin Erni Kutter hat dazu umfassend geforscht, eine Fülle Wissenswertes zusammengetragen und interpretiert: „Der Kult der drei Jungfrauen“ u.a.m..
Je nach Landschaft tragen die „Nachfolgerinnen“ der dreigestaltigen zyklischen Göttin unseres mitteleuropäischen Kulturraumes unterschiedliche Namen. Im Brauchtum, in Mythen, in der Sprache und in heiligen Plätzen haben sie überlebt.
Ein solcher Göttin-Platz ist unzweifelhaft der kleine Weiler Bethenbrunn. Er befindet sich auf einem Höhenrücken nördlich von Überlingen am Bodensee, 3 km östlich des uralten Städtchens Heiligenberg. Bei günstiger Wetterlage begeistert er mit seinem atemberaubenden Blick auf das gewaltige Alpenpanorama und auf die von den Gletschern gestaltete Bodenseelandschaft.
Das kleine Dorf als „Bettenbrunnen“ 1275 erstmals urkundlich erwähnt,
erreicht frau nach halbstündiger Wanderung vom Heiligenberg aus. Dessen
„Mons Sanctus“ deutet auf seine sakrale Herkunft hin und lässt die
berechtigte Vermutung zu, dass sich auf diesem Höhenzug prähistorische
Kultstätten befanden.
In Bethenbrunn kommt viel zusammen: der Name, die heilkräftige Quelle, die Wallfahrten am Ambetstag, die Muttergöttin-Mond-Symbolik der Madonnenstatuen und die Historie.
Im offiziellen Kirchenführer von 1983 ist noch zu lesen: „Der Name wird auf einen Brunnen der drei Bethen zurückgeführt. Vermutlich ist schon früh diese heidnische Mutterkultstätte von christlichen Missionaren in einen Ort der Muttergottesverehrung umgewandelt worden.“
Und tatsächlich sind beide Stränge klar zu erkennen: das kirchlich-offizielle Marienbild und der inoffizielle Urmutterglaube des Volkes.
„Wir haben hier die offizielle Schicht und die subkulturelle Tradition, deren teilweise unsägliches Ineinandergreifen aufzulösen ist.“ (Derungs)
Mit den Insignien der Urmutter ausgestattet, wird nach Derungs Ansicht die alte Göttin-Mythologie von innen ausgehöhlt, um das biblisch-kirchliche Dogma zu etablieren.
So spricht dann ein anderer Kirchenführer von der Gottesmutter/ Muttergottes nur noch als der Dienerin Gottes, einer Fürsprecherin, die bei Gott für die Menschen bittet und fleht. Sie besitzt keine EigenMacht mehr. Die Große Göttin wurde zur hilflosen Gehilfin degradiert.
Doch halt! Die christlich-religiöse Schicht ist ausgesprochen dünn und die ursprüngliche Spiritualität der magischen Stätte trotz aller Tötungsversuche noch sehr lebendig.
Der alte, auf Maria übertragene Sinngehalt der dreigestaltigen Beth energetisiert nach wie vor den Ort. Das Land vergisst nicht. Daran ändert auch die neu erfundene Trinität der drei heiligen „Madeln“ nichts, die die Bethen ersetzen sollten.
Weil es nicht gelang, den alten heidnischen Weiberglauben
auszurotten (so wurde kirchlich verboten, beim Sammeln von Kräutern
oder dem Segnen des Viehs im Stall „die drei Namen" anzurufen), wurden
die heiligen Frauen umgetauft in die christlich-heilige Catharina,
Margarethe und Barbara. Unter diesen Namen schützte nun die Göttin das
Land, die Menschen und ihre Wohnstätten. Besonders zur Wintersonnenwende
tauchen sie immer noch als magische Zeichen an den Haustüren auf: die
legendären heiligen drei Könige Caspar, Melchior und Balthasar. Die verzweifelte Umdeutung in Christus Mansionem Benedictat am
Ende des letzten Jahrhunderts veranlasste die süddeutschen Klarköpfe
zu ihrer eigensinnigen Deutung "Cathel Mach's Bett“.
(Betten und Bethen ist derselbe Wortstamm.)
Der Gnadenort
Auf dem Hauptaltar der Kirche stehen in Muschel (!)-Nischen die
heilige Katharina mit dem Rad und die heilige Barbara mit dem
Weisheitsbuch. Die Dritte fehlt, obwohl Odenwald in seiner Beschreibung
von 1996 noch behauptet: "In Betenbrunn stehen neben der Erdmutter
Ambeth auch die beiden anderen, so dass alle drei hier versammelt sind."
Als ich den Pfarrer nach der dritten Beth fragte, herrschte er meine Begleiterin und mich an: „Wir sind hier doch nicht in einem heidnischen Heiligtum, wir sind hier in einer katholischen Kirche, merken Sie sich das.“
Trotz aller Vernichtungsversuche durch die Christianisierung hat sich die Tradition der drei heiligen Frauen in vielen Formen gerettet. So heißt der Dreifaltigkeitssonntag bei der katholischen Landbevölkerung immer noch „Frauensonntag“.
Die Wallfahrten in Bethenbrunn finden am Samstag statt. Theo Odenwald: „Der Samstag ist der Tag der Ambeth. Der Samstag kommt nur in Süddeutschland vor, woanders heißt er Sonnabend. Im Wort S-ams-tag ist der Wortstamm AM klar erkennbar. Im Alemannischen ist der Artikel vor Namen ein s´. Vor den Namen Ambeth gesetzt lautet es: S´Ambeth´s-Tag, woraus schließlich der Samstag wurde.“
Das Quellheiligtum
Der Wallfahrtsbrunnen als heilige Quelle, auf der die Kirche steht, befindet sich auf dem Vorplatz.
In der Mitte des Platzes stehen zwei Lindenbäume und der renovierte achteckige Brunnen. Eine steinerne Madonna auf dem Halbmond, die lange in der Friedhofsmauer eingefügt war, thront über dem alten Wasserkultplatz.
Der Heilige Bezirk beginnt schon draußen vor der Kirche auf dem Friedhof. „Wie wir wissen, war ein wesentlicher Bestandteil der matriarchalen Mythologie die Sorge um die Verstorbenen, die sich in einer bedeutenden Ahnenverehrung ausdrückt. So wurde auch die Ahnfrau/ Schöpfergöttin/ Todesgöttin besonders verehrt.“ (Derungs)
Nach Pfarrer Andreas Maier ist der Friedhof „sicher schon lange vor den
ersten Christen hier entstanden. Die drei Bethen wurden hier verehrt. Um
die Jahrtausendwende (800-1.100) christianisierten hier iroschottische
Mönche von der Reichenau. So kam es, dass aus dem Frauenheiligtum der
Heiden ein Frauenheiligtum der Christen wurde.“
Die ältere Form des Brunnens ist auf der Altartafel der Gnadenkapelle zu sehen: eine große Wasserschale mit einer Säule in der Mitte. An der Säule befinden sich ein nach oben offener Halbmond, sowie Kuh- oder Stierhörner. Stierhörner sind seit uralten Zeiten das Symbol für den Mond und der Göttin zugeordnet.
Zudem fällt auf, dass die Röhren des ausfließenden Heilwassers nicht, wie normalerweise, nach unten, sondern wie das Mondhorn, nach oben, ausgerichtet sind.
Auf dem Brunnenbild erscheint MAria in einem weißen Gewand auf der Spitze der Säule.
Im Zentrum des Altares, von den ebenfalls in Mondform angeordneten Wolken getragen, erhebt sich die Madonna im Strahlenkranz. Die Sonnenstrahlen sind eine stilisierte Form des Ährenkranzes, der nur während weniger Jahrzehnte im 15. Jh. vorkam und dann als heidnisch verboten wurde. Die Gnadenmadonna trägt ein rotes Kleid. Ihr linker Fuß steht auf der Erdkugel, ihre Attribute sind Mondsichel und Schlange. Zu ihren Füßen liegt, geschützt durch sie und in die weite Landschaft eingebettet, der kleine Ort Bethenbrunn.
Auf der rechten Seite, den toten Menschensohn in ihrem Schoß, sitzt die Pieta: die schwarze Tod-im-Leben-Göttin.
Ebenso eindrucksvoll lebt die dreigestaltige Göttin in der 2 km entfernten Kapelle von Röhrenbach: die gekrönte Himmelskönigin, das Kind auf dem Arm, zu ihren Füßen die Mondsichel, in die das Gesicht einer Alten geschmiegt ist. In dieser Kapelle befindet sich auch eine spätgotische Darstellung der Anna Selbdritt.
Quelle aller Freude wird diese große Frau im Volksmund genannt. so wie es auf dem Brunnen steht: "Quelle aller Freude, Brunnquell aller Gnaden, oh, MAria hilf." Die Frau als Ursymbol des Lebens, als universelle Quelle der Lebenserneuerung.
Die Stein-Ahnin
Unterhalb der Pieta ist ein überaus bedeutsames Relikt in die Wand eingearbeitet: ein Findlingsstein. Seine Besonderheit ist neben der rötlichen Farbe die handgroße schlitzartige Kerbe und Höhlung, abgeschliffen durch häufiges Berühren.
Schlitzsteine wurden überall in Europa gefunden. Laut mythologischer Bedeutung steht der Schlitz den heiligen
weiblichen Schoß der Urmutter. Der alte Kultstein bezeichnet
die Göttin des Landes mit ihrer heiligen Vulva, aus der Segen für Mensch
und Natur entspringt. Diese rötliche Stein-Ahnin stellt die Urmutter
selbst dar. Sie verkörpert sich in diesem Stein. Die Menschen sahen ihre
Ahnfrau, die Ahnfrau der Landschaft darin und verehrten den Stein als
etwas Sakrales.
Der Kontakt mit dem Stein war offenkundig so lebendig, dass es nicht möglich war, ihn verschwinden zu lassen. Verschwunden ist er allerdings auf den modernen Postkarten, die es
kostenlos in der Kirche gibt: Auf diesen ist der Kultstein
wegretuschiert worden.
Doch nicht zu zerstören sind die uralten heilenden Energien dieser Orte, lasst sie uns mit unserer Liebe besuchen, wecken und beatmen.
KaraMa Beran
Quellen: Kurt Derungs “Mythologische Landschaft Bodensee“
Kirchenführer Betenbrunn 1983 und 2002
Karl Mark „Die Bethen in unserer Nähe“
Theo Odenwald „Spuren mythischer Traditionen aus der Steinzeit“ 1995
Monika Kieferle „Studienarbeit Alma Mater“ 2006