Bei schönstem Sommerwetter im September mache ich mich auf, um Bekannte am Bodensee zu besuchen. Sie wollen mir unbedingt auch Bethenbrunn, einen Ortsteil von Heiligenberg, zeigen.
Direkt im Zentrum des sehr kleinen Ortes befindet sich die Pfarr- und Wallfahrtskirche St. Maria. Der außergewöhnliche achteckige Brunnen unter zwei Lindenbäumen auf dem Platz vor der Kirche fällt mir zuallererst ins Auge. Oben auf dem Brunnen steht eine Marien- bzw. Göttinnendarstellung, deren Füße unten auf einem Halbmond ruhen. Was für ein schöner Anblick. Ich fräue mich, schon hier draußen auf dem Vorplatz die Symbolik der Göttin zu finden!
Das Innere der Kirche ist im Rokokostil ausgestattet. Ich bemerke gleich den sogenannten Frauenaltar, der sich auf der linken Seite befindet. Besonders interessant ist der auf der rechten Seite eingemauerte "Kindle"-Stein. Es handelt sich um einen sogenannten Rutschstein. Auf einen solchen setzten sich Frauen, die schwanger werden wollten, und rutschten auf ihm entlang. Die Herkunft des Steins ist unbekannt. Auf der Vorderseite weist er ein Handloch auf. Es wird vermutet, dass er früher beim alten Brunnen stand. Da der Stein dem Volk sehr wichtig war, hat ihn die Kirche in die Kirchenmauer eingearbeitet und somit für sich vereinnahmt. Welche den Stein sehen will, muss nun die Kirche betreten. Mit dem Einmauern wurde auch ein zweites Ziel erreicht: Es ist nun nicht mehr möglich, sich auf den Stein zu setzen oder darüber zu rutschen. Der Stein wird nichtsdestotrotz bis heute von seinen Besucherinnen verehrt und berührt. Bei genauem Hinschauen ist zu erkennen, dass das Handloch des Steins sehr abgenutzt ist. Seine Bedeutung als Schoß der Göttin ist wohl noch bekannt.
Ich bin sehr überrascht, als meine Bekannten das eiserne Tor zum Seitenaltar öffnen. Es ist nicht abgeschlossen! Es ist also möglich, zum Stein hinter die Absperrung zu gehen. Wunderbar!
Auf dem Hauptaltar der Kirche schaue ich mir in einer Muschelform die Darstellungen der heiligen Katharina mit dem Rad und der heiligen Barbara mit dem Weisheitsbuch an. Wir sprechen darüber, wo die Figur der Margarethe sein könnte, der Dritten im Bunde. Normalerweise steht sie auf einem Wurm oder einem Drachen. Diese Figur ist jedoch weit und breit nicht zu sehen. Offensichtlich wurde sie weggeschafft.
Wir verlassen die Kirche und spazieren den Weg hinter dem Gebäude entlang. An einem Feld kommen wir zu einer mit Bäumen bewachsenen kreisrunden Stelle. Sie wird bis heute beim Bestellen der Felder ausgespart. Vor ein paar Jahren, beim Pflügen des Ackers, wurde dort ein länglicher Stein gefunden. Der Form nach handelt es sich wahrscheinlich um einen ehemals aufrecht stehenden Stein. Er hat ein paar Pflugkerben abbekommen, jedoch nichts von seiner Kraft verloren. Heute liegt er am Rande dieser runden mit Bäumen bewachsenen Stelle auf dem Acker. Auf seiner Oberseite sind verschiedene kleinere Steine abgelegt worden. Dieser Platz strahlt eine besondere Ruhe aus. Es ist schön, hier zu sitzen und zu verweilen.
Auf dem Rückweg erfahre ich, dass das Gebiet hinter dem gegenüber liegenden Hügel sich "Bethelküche" nennt. Diesem Ort wird nachgesagt, dass dort die Bethen das Wetter machen. Früher wurden diese Orte gemieden, so dass die Bethen in Ruhe arbeiten konnten.
Wieder an der Kirche angelangt, schauen wir uns noch kurz nach der alten Quelle des Brunnen um. Sie wird oben am Berg vermutet. Auf dem Privatgrundstück hinter der Kirche sehen wir einen angelegten Brunnen. Es handelt sich jedoch nicht um die ursprüngliche Quelle.
Wir überqueren ein letztes Mal den Hof. Meine Bekannten weisen mich darauf hin, dass in der seitlichen Mauer der Kirche eine weitere Madonna in der Wand eingelassen ist.
Daniela Parr
Wie deutlich zu erkennen ist, wurde rechts an der Seite die Stein-Ahnin per Retusche von der Postkarte entfernt.
Ich ließ es mir nicht nehmen, beim zuständigen Pfarramt anzurufen. Der Pfarrer teilte mir mit, dass er die Abbildung für die Postkarte schon vom Vorgänger so übernommen habe und auch nicht wisse, warum der Stein entfernt worden sei. Ich könne aber gern einmal bei der Firma nachfragen, die die Postkarte gedruckt hat.
Meine E-Mail an die Druckerei:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
vor ein paar Wochen habe ich eine Postkarte von Ihnen aus Bethenbrunn
in der Kirche gekauft, die den Frauenaltar zeigt. Nun ist mir
aufgefallen, dass auf dieser Postkarte der rote Stein an der Seite
wegretuschiert wurde. Warum wurde er entfernt?
MfG, Daniela Parr"
Antwort der Firma:
"Sehr geehrte Frau Daniela Parr,
zu ihrer Frage, warum der Stein nicht auf der Karte ist, kann ich
leider keine Auskunft erteilen. Wenden Sie sich bitte an das Pfarrbüro.
mit freundlichen Grüßen, EK-Service"
Uralte Stätten der Heilkraft
Marienorte mythologisch neu entdeckt
Eine Sendung des Bayerischen Rundfunks 2
gesendet: Sonntag, 15. August 2010
8.05-8.30h
WissenschafterInnen:
Heide Göttner-Abendroth
und Kurt Derungs
Themen:
die schwarze Madonna von Altötting
Vergleich: Landschaftsahnin und Madonna
Passau: Donau, Inn und Ilz
Bethenbrunn: Wasser- und
Steinkultplatz
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