Radtour: von Elbigenalp nach Reutte
Daniela Parr
An einem sehr schönen sonnigen Tag starten Elisabeth Wintergerst und ich mit den Fahrrädern in Richtung Elbigenalp, um von dort aus die ca. 30 Kilometer zurück nach Füssen am Lech entlang zu radeln. Elisabeth hat recherchiert, dass wir von der Station Ulrichsbrücke-Füssen aus mit zwei Bussen dorthin gelangen können.
Der Busfahrer schaut ein wenig verdutzt, lässt uns aber mit den Fahrrädern einsteigen, die wir im mittleren Abstellbereich im Bus verstauen. Einen Fahrradanhänger, wie er im Internet erwähnt wurde, gibt es nicht. Unser Fahrer nimmt die Kurven durchaus rasant, so dass wir des öfteren unsere Fahrräder gut festhalten müssen. Schließlich kommen wir unbeschadet in Reutte an. Dort haben wir eine Stunde Aufenthalt, die wir auf dem gerade stattfindenden Mittelaltermarkt verbringen. Wir schlendern gemütlich durch die Stände mit den feilgebotenen Waren, lauschen mittelalterlicher Musik und probieren das Essen, so dass uns die Zeit nicht lang wird.
Ich bin durchaus überrascht, als ich unseren nächster Bus sehe. Der Fahrer zieht sich Handschuhe an, schnappt sich unsere Fahrräder und hängt sie hinten an den Bus. Ich bin erleichtert, als ich sehe, dass er sie zusätzlich mit einer großen Schraubverbindung sichert. Das muss ich gleich mit einem Foto dokumentieren. Wir kommen zu dem Schluss, dass die klassischen Fahrradanhänger wohl eher in der Hauptreisezeit zum Einsatz kommen.
In Elbigenalp wiederholt sich das sonderbare Schauspiel. Der Fahrer zieht sich die Handschuhe an, schraubt unsere Fahrräder los und händigt sie uns aus. Schneller als wir schauen können, ist der Bus wieder verschwunden.
Nun stehen wir inmitten im schönsten Alpenpanorama. Straße und Richtung, die wir nehmen müssen, sind schnell ausgemacht. Elisabeth weist mich auf die Freilichtbühne in Elbigenalp hin, die unter anderen durch die Aufführung der "Geierwally" und der "Lechtaler Schwabenkinder" bekannt ist. Die Autorin und Regisseurin Claudia Lang habe ich ein paar Tage zuvor kennengelernt. Sie lebt in der Nähe des Frauensees. Als seine Hüterin führt sie regelmäßig interessierte Frauengrupppen durch dieses Gebiet.
Der erst vor kurzem angelegte Lechtal-Radweg ist sehr gut ausgeschildert und landschaftlich sehr reizvoll. Es gibt einen Radweg und einen Wanderweg, die völlig getrennt voneinander verlaufen, so dass sowohl die Radfahrerinnen entspannt voran kommen, als auch die Wanderinnen in Ruhe wandern können.
Als erstes treffen wir bei Häselgehr auf einen Kanuplatz. Ich erinnere mich: hier war ich vor etlichen Jahren schon einmal zum Wildwasser-Rafting. Diese Touren können heute noch gebucht werden. Wir überqueren den Lech und sehen links oben am Hang die Doserkopfkapelle. Daneben befindet sich ein Wasserfall, der aber um diese Jahreszeit nicht viel Wasser führt. Die Strecke eignet sich gut für eine kleine Wanderung.
Ein Stück weiter den Lech hinunter grüßt uns aus einer kleinen Höhle unterhalb des Felsens eine Marienfigur. Hinter Elmen wird das Tal richtig wildromantisch. Die Aussicht wirkt teilweise wie aus einem Bilderbuch. Wir sehen kleine Wasserläufe mit jungen Tannen, unter welche sich schwarz-bunt-gefleckte Kühe auf der Suche nach Schatten gestellt haben. Das Lechtal erscheint uns an dieser Stelle mit seinen zerklüfteten Steine und dem schnell fließenden Wasser sehr ungezähmt.
Ein paar Kilometer weiter fällt uns am Weg ein Wegweiser mit der Beschriftung "Orchideengarten" auf. Am Eingang ruft uns ein uniformierter Mann augenzwinkernd zu, dass wir nur mit den Augen schauen dürfen.
Im Garten blüht gerade in rauen Mengen gelber Frauenschuh, von dem wir mehrere schöne Fotos machen. Wir schauen uns noch viele andere Pflanzenarten an, die ebenfalls liebevoll mit Namensschildern versehen sind. Als wir wieder an den Ausgang kommen, ruft der Mann: "Taschenkontrolle". Lachend teilen wir ihm mit, dass er allerhöchstens kontrollieren kann, ob unsere Fotos etwas geworden sind.
Ein Stück weiter mündet zwischen Stanzach und Forchach der Schwarzwasserbach in den Lech. Der Bach, oder besser Fluss, kommt aus einem tief eingeschnitten Tal mit steinigen Hängen. An seiner Mündung steht ein Schild mit der Aufschrift "Naturbaustelle", das von der Renaturierung des Lechs berichtet. Im Moment gibt es dort jedoch nur ein riesiges Baggerloch zu sehen, in dem gerade ein Kanal angelegt wird.
Hinter Forchach wird der Lech von einer ausladenden, sehr sehenswerten Hängebrücke überspannt. Sie ist über 100 Jahre alt und wird von der Gemeinde bestens gepflegt. Die Überquerung der leicht schwankenden Brücke, ist ein Muss für jede Besucherin. Allein für den Blick auf den tosenden Lech, mit dem frau mitten auf der Brücke eins wird, lohnt sich die Begehung.
Wir kommen in das Dorf Weißenbach. Dies ist analog zum Ort der schwarzen Göttin am Schwarzwasserbach der Ort der weißen Göttin. Wir überlegen, ob der Fluss, zwischen den beiden Orten zur roten Göttin gehört, da er ausgerechnet den Namen Namlosbach trägt. Dies könnte in einer Zeit geschehen sein, in der die rote Kraft nicht erwähnt werden durfte.
In Weißenbach ist der Brauch einer besonderen Fasnachtsgestalt, des "Zuderers" lebendig. Der Zuderer, eine Art Geist, wird zu Beginn des Faschings von maskierten Dorfbewohnern am Dorfplatz ausgegraben und begleitet das gesamte Faschingstreiben. Burschen tragen ihn während desFaschingsumzugs in einer Sänfte durchs Dorf. Auch beim Faschingstanz ist er zugegen. Am Aschermittwoch wird der Zuderer wieder weggesperrt. Auf dem Platz in der Dorfmitte steht eine verschlossene Holzkiste unter einem großen Stamm. Über der Aufschrift: "Hier ruht der Zuderer" ist er mit einer Nachtmütze zu sehen.
Von hier aus ist es nur noch ein Katzensprung nach Reutte, wo wir den Zug zurück nach Ulrichsbrücke-Füssen nehmen. Dort halten wir noch kurz an der sehr sehenswerten alten Ulrichsbrücke an, bevor wir auf dem mittlerweile vertrauten Weg am Lech entlang zurück nach Füssen radeln.