Region 11
Fichtelgebirge, Franken, Altmühltal
Heiliger Brunnen bei Roding
Das Heilbrünnl
Moira
Schon lange wollte ich mir den Heilbrunnen, im Dialekt „Heilbrünnl“ - früher „Hochbrünnl“, samt der Wallfahrtskirche bei Roding anschauen, denn ich hatte den Verdacht, dass sich unter der christlichen Fassade ein alter Göttinnenort versteckt. Anfang September gelang es mir endlich auf der Fahrt zu einer Freundin am Heilbrünnl eine Pause einzulegen.
Schon die Anfahrt ist beeindruckend, denn Kirche und Brunnen liegen malerisch oben am Hang eines mit überwiegend Laubbäumen bewachsenen Berges vor dem Bayerischen Wald bei Roding. Es ist möglich mit dem Auto bis vor die Kirche zu fahren, zu parken und nach der Besichtigung in dortigen Wirtschaft mit Biergarten einzukehren. Gleich beim Aussteigen macht sich die besondere Atmosphäre des Ortes bemerkbar - so fein, so still, so ausgleichend, soviel Ruhe. Besonderes Highlight sind die freilaufend gehaltenen Ziegen, die herumschnuppern und schon mal vor dem Kirchenportal stehen. Vor der Kirche befindet sich am Hang ein Brunnenmodell mit großem Becken sowie in der Nähe der Parkplätze eine Kreuzigungsgruppe mit aufgestellten Totenbrettern, typisch für dem Bayerischen Wald. Der Brunnen selbst ist christianisiert worden und damit - zum Glück - erhalten geblieben. Gefasst in einem rotweißen Marmorbecken sprudelt das Wasser direkt in der Rokkokokirche vor dem Altar. Die Legende sagt, dass dieser Brunnen schon vor der Christianisierung als heilender Brunnen vor allem bei Augenleiden verehrt wurde. Ein Hinweis auf die Göttin? Die Quelle, die den Brunnen speist, habe ich leider nicht gefunden.
Die christliche Variation erzählt, dass ein Marienbild von einem Hirten in der Quelle entdeckt und von einem Priester zunächst in einen Schrein, dann in eine Kapelle, dann in die extra dafür gebaute Kirche gebracht wurde. Die Wallfahrtskirche selbst ist der Maria Immaculata und der heiligen Maria Magdalena geweiht - also ein Frauenort, wobei meines Erachtens die Maria Immaculata die Jungfrau und Maria Magdalena die fruchtbare, sexuell aktive Frau darstellt. Beide werden beeindruckend in den Kirchenfenstern und den Statuen abgebildet. Rechts am Hauptaltar steht übergroß die Heilige Anna, die Großmutter Jesu. Damit ist für mich der dritte Aspekt, der der Weisen Alten, ebenfalls präsent.
Das Altarbild selbst ist eine Kopie eines Marienbildes einer Regensburger Kapelle, das wiederum vom Lukasbild Salus Populi Romani in der Kirche Santa Maria Maggiore in Rom abstammt. Außerdem bietet die römisch-katholische Kirche vor Ort Wallfahrten zur Zeit des sogenannten „Frauendreißigers“ an und deckt damit alle sommerlichen Marienfeste bis in den September mit ab. Ob der Brunnen ursprünglich einer Quellengöttin oder einer großen Göttin gewidmet war, konnte ich so schnell nicht feststellen.Aber durch die Päsenz aller drei Aspekte der Großen Göttin vermute ich eine Quell- oder Flußgöttin beziehungweise die große Göttin selbst, die durch die Christianisierung verdeckt erhalten geblieben ist. Kurt und Isabelle M. Derungs führen das Heiligtum auf die Flußgöttin zurück, die dem Regen ihren Namen gab. Sie vermuten die (vor)keltische Muttergöttin Rigani dahinter, da die Gegend um Roding bereits zur Jungsteinzeit besiedelt war. Ihrer Ansicht nach ist ein weiterer Beweis für die Göttinnenverehrung die Existenz mehrerer Erdställe in Roding. Einen Besuch ist das Heilbrünnl auf jeden Fall wert, wenn frau sich nicht vom Katholizismus abschrecken lässt.
Moira
Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Wallfahrtskirche_Heilbrünnl
https://www.bayerischer-wald.de/Media/Attraktionen/Wallfahrtskirche-Heilbruennl
Göttner-Abendroth, Heide: Matriarchale Landschaftsmythologie, Kohlhammer Verlag 2014
Kurt Derungs / Isabelle M. Derungs: Magische Stätten der Heilkraft - Marienorte neu entdeckt, Grenchen 2006