Region 11
Fichtelgebirge, Franken, Altmühltal

Eine Reise zu Kraft und Heilorten in Franken

Mainschleife, rote Quelle, Lichtenstein, Teufelsstein, Burg Rothenhan, Veitenstein
Friederike Bleul Neubert


Zur Zeit der Herbst-Tag-und-Nachtgleiche war ich eingeladen bei meiner Godeschwester PiaSonne, die mit
mir einige der Kraft- und Heilorte in ihrer Umgebung besuchen wollte. Da ich nur ein Wochenende lang da
war, mussten wir eine „kleine“ Auswahl treffen, aber die hatte es schon ganz schön in sich!

Die Orte, die wir aufsuchten, liegen in Unterfranken, im Viereck Schweinfurt – Coburg – Bamberg – Kitzingen,
z.T. im Naturpark Haßberge.


Bei Schwestern zu Besuch

Schon das Ankommen allein ist ein Genuss: gleich vom Bahnhof aus bin ich eingeladen zum Mittagessen bei PiaSonnes Freundin Roswitha, wo wir mit Kürbissuppe und Pflaumenkuchen verwöhnt werden. Bei PiaSonne im Garten begrüßt mich eine Sitzgruppe von Drei Frauen (Abb. 1) und am Eingang (Abb. 2) und an vielen Stellen in der Wohnung zeigen mir Figuren, kleine Installationen und Raumschmuck (Abb. 3) die alltäglich gelebte matriarchale Gesinnung. PiaSonnes Haus beherbergt nicht nur ihre Wohnung, sondern ein großer Raum und der Garten stehen einzelnen Frauen für eine Auszeit oder Gruppen für Veranstaltungen zur Verfügung. An dem Wochenende z.B. gibt es nebenan eine Familienaufstellung. Damit bin ich schon am ersten Heil wirkenden Ort angelangt.

                                                             

Die Mainschleife

Unser Ausgangspunkt ist Obervolkach. Dieser Ort liegt an der sog. „Mainschleife“. Als ich in der Karte für Touristen das Bild (Abb. 4) dazu sehe, fühle ich mich sofort an die Ausführungen von Kurt Derungs zur Landschaftsmythologie(1) erinnert: der eine Bogen sieht aus wie eine Brust, der darunter befindliche Bogen wie ein schwangerer Bauch. Kurt Derungs vermutet, dass in ganz alten Zeiten die Völker solche Regionen als Verkörperung der Mutter Erde, als „Landschaftsgöttin“ erkannten und entsprechend dort ihre Kultorte anlegten und ihre jahreszeitlichen Rituale begingen. Der größte Ort der Region ist Volkach, er liegt sozusagen im „Sonnengeflecht“ der Landschaftsgöttin.

Mitten auf dem Marktplatz steht eine Marienstatue (Abb. 5), und zwar die Himmelskönigin, auf der Weltkugel stehend, die Schlange zu ihren Füßen und mit dem Sternenkranz gekrönt. Schön, dass die Göttin hier wie vor Urzeiten den Mittelpunkt bildet! Überhaupt sind in der gesamten Region an sehr vielen Häusern kleine Marienstatuen angebracht. Die Verehrung der weiblichen Gottheit hat hier noch Tradition.

 Bei der Stadtführung am Abend wird das Stadtwappen (Abb. 6) gezeigt und erklärt: auf der linken Seite greifen drei Zacken von unten in vier Zacken von oben. Früher soll das die Heilige Dreifaltigkeit gewesen sein, die in allen vier Himmelsrichtungen verehrt wurde. Und noch früher? Die Dreifaltigkeit ist ja die männliche Nachfolge der drei Bethen, und die sind eine Verkörperung der Großen Einen in ihren drei Gestalten (2). Auf der rechten Seite ist der Fluss, die Volkach, symbolisiert, die hier in den Main mündet. So schimmert mit den Marienstatuen und dem Stadtwappen noch heute die uralte Verehrung der Großen Mutter durch.

(1) Kurt Derungs
(2) Erni Kutter


Die Wallfahrtskirche St. Maria im Weingarten


Unser erster Besuch gilt der Wallfahrtskirche „St. Maria im Weingarten“ (Abb. 7 und 8). Sie liegt auf einer kleinen Anhöhe am Main, praktisch in der „Herzgegend“ der Mainschleife. Von dort hat man einen wunderbaren Blick über die ganze Landschaft. Der älteste Bau muss ca. 900 n.u.Z. dort errichtet worden sein (3), d.h. also mit der Christianisierung der Gegend. Was liegt näher, als einen alten Kultort anzunehmen, der mit der ersten Kirche überbaut wurde? Dafür spricht auch, dass von alters her eine Prozessionsstraße von Volkach aus zur Kirche führt, im 16. Jhdt wurde sie mit Bildstöcken des Kreuzweges ausgestaltet. An einer der Kirchentüren sind Hufeisen aufgenagelt (Abb. 9), die an den „alten Brauch des Pferdeumritts erinnern“ (4) – auch das ein Hinweis auf ganz alte Rituale. Gerade Wallfahrtswege und Prozessionen halten sich im Brauchtum über Jahrtausende und die verschiedensten religiösen Bekenntnisse hinweg bis in die heutige Zeit.

                

Im Mittelalter ist dort eine Beginenklause gewesen, bis sie in einer der Schließungswellen durch die Katholische Kirche aufgelöst wurde (5). Dies und der Name „Maria im Weingarten“ lösen weitere Assoziationen in mir aus: es gibt in der mittelalterlichen Malerei das Bildmotiv der Maria mit den heiligen Frauen im Garten (Abb. 10). Dort wird eine himmlische Frauengemeinschaft abgebildet, die aber ihr Vorbild in einer irdischen, weiblichen Gemeinschaft haben könnte. Dass hier ein „Frauenort“ war, ist auch an einer Vielzahl von Mariendarstellungen in der Kirche selbst zu erkennen. Zwei spätgotische Figurengruppen, eine Pietà und eine Anna Selbdritt rahmen die berühmte Madonna im Rosenkranz von Tilman Riemenschneider ein.

                  

Die Pietà (Abb. 11), ein sog. Vesperbild (6), soll das Ziel der Wallfahrten gewesen sein. Es ist die Darstellung
des Schmerzes, den eine Mutter angesichts ihres ermordeten Sohnes empfindet – hier allerdings als Typus
des „Schönen Vesperbildes“, das statt des Leids die Hingabe und das Wissen um die Auferstehungshoffnung
wiedergibt. Mit welchen Gefühlen mögen wohl die Wallfahrerinnen davor gestanden haben, die ihre Männer
und Söhne in Kriegen und an Krankheiten verloren haben?

Das andere Bild, Anna Selbdritt (Abb. 12), hat für mich eine wesentlich stärkere Anziehungskraft. Da ist die
Große Mutter, die ihre erwachsene Tochter, die menschliche irdische Frau, auf dem einen Knie hält, auf dem
anderen das aus der Tochter geborene männliche Kind. Beide, Mann und Frau, kommen aus der Frau, beide
sind im Weiblich-Göttlichen aufgehoben. Dieses Bild zieht mich magisch an, ich fühle mich ganz anders
angesprochen als von der Pietà. Und noch etwas besonderes fühle ich: an dieser Stelle durchströmt mich ein
Strom von Kraft, den ich an keiner anderen Stelle der Kirche spüre. Lange verweilte ich vor dem Bild und
meditiere über eine Fragestellung, die mich zur Zeit sehr beschäftigt. Immer wieder kehre ich bei meinem Gang
durch die Kirche an diesen Platz zurück.

Den Mittelpunkt der Kirche bildet die Rosenkranzmadonna (Abb. 13), eine wunderschöne Schnitzarbeit des
großen Künstlers Tilman Riemenschneider. Aber mit der Kraftquelle der Anna Selbdritt ist sie für mich nicht zu
vergleichen!

Für Frauen, die in der Maria (wieder) eine mütterliche liebevolle Beschützerin erkennen, kann diese Kirche
erneut zu einem Frauenort werden.

            

(3) Kunstführer S. 4
(4) a.a.O., S. 6
(5) Fränkischer Marienweg, S. 76
(6) Vesperbild: Darstellung der Maria, die zur Abendzeit (im Klosterleben Zeit der liturgischen Vesper) ihren toten Sohn in den Schoß gelegt bekommt und beweint (Wikipedia, Stichwort „Vesperbild“) ins Erdreich hinein. Aber gleich darauf ist wieder nur der Himmel zu sehen, und die Oberfläche verschließt sich.


Rot – weiß – schwarz – rot: ein Ausflug zu landschaftlichen Kraftorten


Rot: Die Rote Quelle

Wenn eine Quelle schon „Rote Quelle“ heißt, dann ist sie – abgesehen davon, dass Quellen sowieso schon
besondere Orte sind – sicherlich von einer noch hervorgehobeneren Qualität. Wir fahren durch den Ort
Donnersdorf, in der Nähe liegt der Ort Wonfurt als Übergang über den Main. Donnersdorf von Donar und Won-
Furt von Wotan? Gab es hier eine Gegend, in der vormals Menschen wohnten, die die alten nordischen Götter
und Göttinnen verehrten? Mit Sicherheit aber war die Quelle ein Ort der Frauen, so wie es eigentlich von allen
europäischen Kulturen bekannt ist.

Die Quelle liegt innerhalb eines kleinen Wäldchens, umgeben von Feldern und weiteren Büschen. Der Zugang wird von einer Baumfrau „bewacht“, die drei gleich starke und große Äste in den Himmel streckt (Abb. 14). Dann tritt man in eine ruhige Atmosphäre ein, der klare Wasserspiegel des Quelltopfes rührt sich fast nicht, obwohl das abfließende Bächlein munter plätschert (Abb. 15). Während PiaSonne sich gleich an ihrer Lieblingsstelle niederlässt, gehe ich leise um die ganze Wasserstelle herum, bleibe dann einfach stehen und blicke lange in blaue Tiefe, die Gedanken schweifen ab und versinken bald ganz.

Manchmal spiegelt sich der Himmel, dann ist das Wasser „zu“, manchmal öffnet sich der Blick und ich kann
bis weit hinunter sehen, alte Baumriesen liegen halb versunken im Modder. In anderen Augenblicken gibt die
Quelle es wie ein Geheimnis preis: ich kann die untersten Felsen erkennen, und darunter geht es noch tiefer.
              


Weiß: Der Lichtenstein


Etwas weiter nordöstlich über den Main hinüber hinter Hassfurt. Dort liegen unsere weiteren Ziele für diesen Tag: der Lichtenstein, der Teufelsstein und der Rotenhan, alles Felsformationen mit Kraft spendenden Stellen (Abb.
16). (7)

Der Fels bildet den Untergrund für eine mittelalterliche Burganlage, die z.T. als Ruine, z.T. restauriert noch
heute genutzt wird (Abb. 17): „Die Burg Lichtenstein (Gemeinde Pfarrweisach) ist eine hoch- bis
nachmittelalterliche Höhenburg etwa sechs Kilometer nördlich von Ebern im unterfränkischen Landkreis
Haßberge in Bayern.“ (8) Aber wir sind ja gar nicht an der Burg, sondern an dem Felsen selbst interessiert.
Wie kommt es zu dem Namen „Lichtenstein“? Die landläufige Erklärung scheint mir, zäumt das Pferd von
hinten auf: es heißt, dass das Geschlecht derer von Stein oder Lichtenstein hätte hier seinen Stammsitz. Doch
normalerweise ist es umgekehrt: die Familien nennen sich nach den Orten, über die sie herrschen oder aus
denen sie kommen. Also war der Name des Felsens vermutlich zuerst da. Hier, an einer hoch herausragenden
Stelle, könnte eine Kultstätte gelegen haben, an der zu bestimmten Festen große Feuer angezündet wurden,
die entsprechend weit übers Land hinweg zu sehen gewesen sind. Es gibt auch die Deutung, dass der
Lichtenstein auf einer der sog. „Drachenlinien“ liegt, einer Leylinie, die sich quer durch Europa zieht und mit vielen Kraftorten in Verbindung steht. (9)

            
          
Rund um die ganze Anlage geht ein Sagenpfad, an dem entlang wir einige Höhlen und bemerkenswerte
Stellen besuchen. (10)

Der erste Punkt ist der Tränenfelsen (Abb. 18), von dem folgende Sage berichtet wird: Auf dem „Tränenfelsen“ unter dem Nordtor soll nach der Reformation ein evangelisches Fräulein von Lichtenstein gesessen haben, das heiße Tränen um einen katholischen Jüngling weinte, den es wegen des Konfessionsunterschiedes nicht heiraten durfte. Der Geliebte wohnte nur wenige Kilometer entfernt auf der würzburgischen Amtsburg Rauheneck bei Vorbach. Nachdem das Paar endlich doch noch zueinander gefunden hatte, verstarb der Bräutigam kurz nach der Hochzeit. Der Felsen „weint“ bis heute um den Rauhenecker Junker. Auch an heißen Tagen tritt hier Schichtenwasser aus und tropft zu Boden.“ (11)

Etwas später steht auf der Hinweistafel für eine weitere Höhle: „Im „Schneidersloch“. Unter dem ehemaligen Palas der Nordburg hauste einst angeblich ein böser Schneider, der Reisende und Burgbewohner ausgeplündert und ermordet haben soll. Nach der Gefangennahme des Bösewichtes folterte man den Übeltäter mit glühenden Nadeln und Scheren zu Tode. Die kleine Höhle wurde allerdings erst im 19. Jahrhundert zum Lagerkeller erweitert. Bis zur Sanierung der Ruine war das „Schneidersloch“ eines der Hauptziele der esoterischen Aktivitäten um den Lichtenstein.“ (12)

Oswald Tränkenschuh allerdings vermutet eine wesentlich ältere Herkunft des Namens, und zwar sollen lautmalerisch die keltischen Worte snaid oder snaigh und lloak oder lluik für herausgehauene Höhle oder herausgemeißelter Keller stehen. (13) Das finde ich – zusammen mit den „esoterischen Aktivitäten“, die sich ja nicht von ungefähr an diesem Ort einfinden – schlüssiger als die Sage.

In dieser und einigen kleinen, von außen begehbaren Höhlen kann man Gebrauchsspuren sehen, in einer Höhle, die Ziegenstall heißt, hat wahrscheinlich bis kurz nach dem Krieg jemand Ziegen gehalten. In einer Höhle, die allerdings nur durch Klettern zu erreichen gewesen wäre, sollen während der Kriegszeiten Menschen Schutz gesucht und Frauen Kinder zur Welt gebracht haben. PiaSonne berichtet, dass sie dort schon einmal übernachtet habe, es ist ein besonderer Ort. In den anderen Höhlen findet sie nicht diese Energie.

Interessant finde ich den sogenannten „Gerichtsstuhl“ (Abb.19), in dem angeblich der Burgherr gesessen haben soll, wenn er Urteile über Straftäter sprechen sollte. Das scheint mir sehr unwahrscheinlich: warum sollte ein Landesherr, der sicherlich in seiner nahen Burg bequemer und herrschaftlicher residiert, sich auf einen niedrigen steinernen Sitz hocken, wo es noch nicht einmal Platz für Beteiligte und Schaulustige rundherum gibt? Leider probiere ich nicht aus, wie es ist, dort zu sitzen. Die Beschreibung lässt mich nur den Kopf schütteln. Vielleicht hätte ich etwas anderes spüren können, von dem ich später in Tränkenschuhs Büchlein lese: es gibt an bestimmten Energie-Orten solche Sitze für Seherinnen oder für Menschen, die Heilung suchen. (14)

Weiter auf dem Pfad kommen wir an die „Pferdeschwemme“ (Abb. 20), einen zu einem größeren Becken ausgeschlagenen Austritt einer Quelle aus dem Felsmassiv. Sicher, die Burgleute haben es so genutzt, aber wahrscheinlich haben die Menschen hier schon sehr viel früher Labsal und vielleicht auch Heilung gesucht. PiaSonne kennt den Bachlauf und hält sich gerne hier auf.

Inzwischen weiß ich, dass wir vieles gar nicht gesehen haben. Es gibt weitere Höhlen, Piktogramme und in der Umgebung noch Großsteine mit Heilkraft. Es lohnt sich, nach einer ausführlichen Lektüre des Büchleins von Oswald Tränkenschuh noch einmal mit mehr Zeit und Intensität diesen Ort aufzusuchen.

(7) Später erst erfahre ich durch dieses Bändchen, dass es in der Nähe eine Menge weiterer solcher Steine gibt, aber für  einen Tag ist der Besuch von dreien schon reichlich.

(8) Wikipedia, Lichtenstein
(9) Martina C. Trapper S. 31

(10) Da wir uns an den Pfad halten, sehen wir nur die angegebenen Stellen, die mit Tafeln gekennzeichnet sind. Einige Höhlen, von denen ich erst später in Oswalds Tränkenschuhs Bändchen erfahre, sind nur durch schwierige Klettereien zu erreichen, so dass wir sie gar nicht erkennen.

(11) Wikipedia, a.a.O.
(12) Wikipedia, a.a.O.
(13) O. Tränkenschuh S. 21
(14) a.a.O., diverse Stellen


Schwarz: Der Teufelsstein

In der Nähe des Lichtensteins liegt der Teufel- oder Höllenstein (Abb. 21). Auch dieser Felsen soll der Untergrund für einen mittelalterlichen Burgbau gewesen sein, ein sog. Felsburgstall (15). Es gibt zwar Löcher, die als Stufen eingehauen und möglicherweise zur Befestigung von Holzbalken geeignet sind, aber die Plattform oben ist von so kleiner Ausdehnung, dass ich mir schwer vorstellen kann, dass hier ein Ritter mit Familie gehaust haben soll (Abb. 22 und 23). Spuren von auf dem Felsen aufgebauten Mauern wie bei der Burg Rotenhan (s.u.) existieren nicht, könnten aber im Laufe der Zeit natürlich vergangen sein. Sogar die Autoren von Wikipedia wundern sich, dass hier ein solches Anwesen erbaut worden sein soll. (16)
          

Neben dem Wächter (Abb. 23), den Stufen und einigen Löchern für Holzbalken o.ä. ist das bemerkenswerteste von Menschenhand gefertigte Teil ein auf der oberen Plattform eingeritztes Mühlespiel (Abb. 24). Der Sage nach soll hier ein Ritter oder ein Soldat gegen den Teufel gespielt und gewonnen haben. Es gibt aber eine weitaus interessantere Erklärung: Erni Kutter und Oswald Tränkenschuh berichten von solchen Mühleritzungen in Felsen, die z.T. bis zu Tausenden von Jahren alt sind und die z.T. sogar senkrecht angebracht sind, sodass also von einem rein profanen Spiel nicht ausgegangen werden kann (17).

Auf dem Hinweisschild steht zwar groß und rot geschrieben, dass dieser Ort keinesfalls und nie ein vorchristlicher Kultort gewesen sei. Aber die Wirkung dieses Ortes spricht eine andere Sprache: möglicherweise dient diese Bemerkung nur dazu, die „esoterischen Zirkel“ abzuschrecken, die diesen Ort (wieder) als Kraftort fanden und leider begannen, ihn durch die Nutzung zu zerstören. Überall sind die „Teufelsstein“ genannten Felsformationen alte Hexentanzplätze (18) oder hängen mit alten Bräuchen zusammen (19).

        

Auch hier habe ich leider erst später durch die Lektüre erfahren, dass es noch mehr Interessantes am Teufelsstein zu sehen gibt: Piktogramme (Teufelsfußabdruck, Pferdehuf, Ren, eine schamanische Rinne) und eine Höhle (Abb.25).(20) Dennoch bereichert mich schon das bisher Erlebte.

(15) Wikipedia Teufelsstein
(16) a.a.O.
(17) Erni Kutter S. 72, Oswald Tränkenschuh, S. 67 ff
(18) a.a.O., S. 69 ff
(19) Hartmut Schmied und Ingrid Schmidt
(20) O. Tränkenschuh S. 67, I. u. O. Tränkenschuh, S. 20 und 66, O. Tränkenschuh S. 74


Rot: Burg Rotenhan:


„Kurz vor Ebern, über dem Ortsteil Eyrichshof, bilden fünf mächtige Felsblöcke den Unterbau der ehemaligen Burg Rotenhan. Die von der Esoterik heimgesuchte Burgruine gilt als eine der wenigen echten Felsburgen Bayerns. Die Einbeziehung des weichen Rhätsandsteins in den Burgenbau geht hier noch weiter als beim Teufelsstein, hier wurde die Toranlage sogar vollständig aus dem Fels geschlagen.“ (21) (Abb. 26) Schon auf der Hinweistafel steht hervorgehoben, dass diese Anlage niemals eine Kultstätte gewesen sei. Dennoch: so ganz abwegig ist diese Vermutung nicht. Ohne Wirkung suchen Menschen auch heute diese Orte nicht auf.

            

Mein erster Blick, der durch das in den Fels gehauene Tor fällt, erkennt auf der gegenüberliegenden Seite einen Drachen! Ja, ein Baumstamm, der so merkwürdig geformt und hingefallen ist, dass er wie ein vorsintflutliches Tier
zu mir herüberblickt und mich zu begrüßen scheint (Abb. 27)! Also gibt es hier doch die rote Feuerenergie. Später lese ich, dass es in der ganzen Anlage mehrere Heilstellen gibt: eine kleine Höhlung gegen Zahnschmerzen und Beinleiden und Visionssitze für Männer und Frauen. (22)

PiaSonne und ich gehen jeweils wieder unsere eigenen Wege. Ich erkunde und bewundere die meisterliche Arbeit der Steinmetze, die hier eine Wohnanlage aus dem Felsen gehauen haben (Frauenfelsen Abb. 28). Oben angelangt, erkenne ich den „Drachenbaum“ und sehe, dass er willkürlich dort hingeraten ist. Nach einer Weile erklimme ich den – von unten gesehen unbehauenen – Felsen (Männerfelsen), auf dem Pia bereits steht und die Ströme des Kraftortes auf sich wirken lässt (Abb 29). Ja, jetzt spüre ich es auch deutlich. Durch mich wirbelt eine Energie, die mich ganz kribbelig macht, lange kann ich das gar nicht aushalten.

(21) Wikipedia
(22) I. u. O. Tränkenschuh, S. 0, s. Abb. 25 S. 74


Herbst-Tag-und-Nachtgleiche


Ganz erfüllt, bereichert und trotzdem sehr müde kommen wir am Abend zurück. Eigentlich waren wir eingeladen zu einem Ritualtreffen, um die Herbst-Tag-und-Nachtgleiche zu feiern. Aber wir sind so erschöpft, dass wir uns nicht mehr zu einer längeren Fahrt mit weiteren Anstrengungen – seien sie noch so erfreulich – aufraffen können. Dennoch machen wir uns ein zünftiges Abendessen: Zwiebelkuchen mit Federweißer, und anschließend ziehen wir wenigstens statt eines ausführlichen Rituals jede eine Göttinnenkarte mit dem Wunsch, dass wir durch die dunkle Jahreszeit begleitet werden mögen. So gestärkt treten wir in den Winterkreis des Jahres ein.


Die Höhle im Veitenstein


Es ist kaum zu glauben, aber die Erlebnisse der letzten Tage sind noch zu steigern: ich darf einen Abstieg in die Höhle des Veitensteins erleben.

Veitenstein am Lussberg: was bedeuten diese Namen? Mit Sicherheit hat die Bezeichnung nichts mit dem Heiligen St. Veit zu tun. Aber als ein Heiliger, der Gewitter abwenden soll, ist er möglicherweise der „Nachfolger“ des Gottes Donar. (23) Mittelalterliche Schreibweisen sind „feyelstein“, „Feihelstein“, „Feilstein“, „Feilnstein“, „Vewlstein“. Eine Deutung ist nicht bekannt. Lussberg könnte von Luchsberg kommen, kann also entweder das Tier meinen oder von „lusen“, „lauern“ = spähen kommen und mit der herrlichen Aussicht zusammenhängen. (24)

Roswitha, Pia Sonnes Freundin aus Schweinfurt, kennt sich bestens aus. Sie weiß den Weg und wo der Schlüssel zum Eingang zu bekommen ist (25). Sie hat auch für alte Kleidung gesorgt, mit der wir die engen Spalten entlang rutschen können. Vom Parkplatz in Lussberg starten wir Drei auf direktem Weg zum Ziel (Abb. 30). (26) Es geht ziemlich steil bergauf, so dass ich asthmatische Beschwerden bekomme und öfter pausieren muss. Das ist richtig gut, denn dadurch nähern wir uns in besinnlichen Schritten diesem besonderen Ort. Sieben Pausen lassen uns sieben Mal innehalten und – anlässlich des Datums der Herbst- Tag-und-Nachtgleiche – unseren eigenen Gedanken, Wünschen und Fragen nachgehen.

Oben angelangt, bemerke ich als erstes, dass meine Atembeschwerden völlig weg sind. Trotz des letzten, steilen Anstiegs bekomme ich ganz frei Luft. Das ist die erste „Belohnung“, die zweite folgt sogleich: es ist ein herrlicher Ausblick über das ganze Land (Abb. 31), den wir ausführlich genießen.

Aber dann geht es hinein ins Abenteuer. Roswitha zieht den gewaltigen Schlüssel hervor und stochert im Schlüsselloch, bis die Tür aufgeht. Während sie als Ortskundige im Dunkeln den Abstieg für uns vorbereitet, indem sie an vorgesehenen Stellen Kerzen anzündet, warten wir ehrfürchtig draußen. Ich entdecke links oberhalb der Tür ein Gesicht im Stein, sicherlich kein von Menschenhand angefertigtes, sonst wäre es in den Berichten erwähnt (Abb. 33). Dennoch kommt es mir vor, als ob nun eine Wächterin unsere Schritte behüten wird, und ich kann mich entspannt in die dunkle Schlucht begeben, die so eng ist, dass ich gerade durch passe (Abb. 34 und 35). Glücklicherweise sind die Leitern fest und die Kerzen hell genug, dass ich mich sicher fühle (Abb. 36 und 37). Unten am Boden führt ein kleiner Gang zu einer etwas erweiterten Höhle, deren Wand Spuren menschlicher Bearbeitung zeigen (Abb. 38), aber es sind auch einige natürliche Spalten zu sehen (Abb. 39). Roswitha hat eine Unterlage mitgebracht, die sie in der Höhle ausbreitet, auf der wir Platz nehmen. Eng aneinander gekuschelt hocken wir tief unten im Bauch von Mutter Erde und schweigen eine lange Zeit, ganz in unser Inneres versunken.
        

Aber wie es so ist im Leben: irgendwann ist es Zeit zu gehen. Ein bisschen kalt ist uns geworden, auch fordert der Magen etwas zu essen. So machen wir uns an den Aufstieg, der wieder durch die engen Spalten, aber sicher die Leitern hinauf geht. An einem Absatz komme ich an einem Abgrund vorbei, den ich vorher nicht bemerkt hatte: in einer noch tiefer liegenden Höhle ist Grundwasser zu sehen (Abb. 40).

            

Wieder an der Sonne, wärmen wir uns an ihren Strahlen, decken den Ausflugstisch mit unseren reichlichen Picknickvorräten und schmausen.

Auch der Veitenstein ist mit weiteren interessanten Stellen versehen, besonders der Schlupfgang (Abb. 41), der 12 Meter in den Felsen hinein getrieben ist und innen am Abstieg ankommt. In der Umgebung gilt es als Mutprobe, dort hindurchzuschlüpfen. Auch Roswitha hat dies einmal getan und berichtet, wie sehr intensiv dieses Erlebnis gewesen sei. Dass es in alten Zeiten als Initiationsweg, als zweite Geburt diente, kann ich mir gut vorstellen. (27)

Rund um dieses „Geburtsloch“ sind etliche Zeichen eingraviert: Kreuze, Buchstaben und Inschriften, Drudenfüße und weitere kaum deutbare Symbole (Abb. 42). Die christlichen sind wahrscheinlich als Abwehr der alten Religion, und als Sieg Jesu Christi über „das Böse“ angebracht worden. (28) An anderer Stelle gibt es Gravuren einer Hand, Pferdehufe oder Mondsicheln, eine Bocksfährte und eine Sonne zu sehen. (29)

(23) Hassbergverein S. 7, zitiert nach Aufsätzen von K. Spiegel zu Beginn des 20. Jhdts
(24) a.a.O., S. 4
(25) Mitglieder des Hassbergvereins Veitenstein, Leo Hofmann (09536/1012) und Roland Wolf (9536/1342)
(26) Hassbergverein S. 48
(27) I. u. O. Tränkenschuh S. 13
(28) Hassbergverein, S. 27
(29) O. Tränkenschuh S. 52 ff

Abschied und Dank

Dieses Wochenende wird mir unvergesslich sein. Erschöpft und angespannt bin ich gekommen, bereichert, leicht und entspannt fahre ich nach Hause. Ich danke PiaSonne und ihrer Freundin Roswitha für das Bekanntmachen mit diesen außerordentlichen Orten und meiner Gastgeberin darüber hinaus für die schwesterliche Begleitung in diesen Tagen.
Friederike Bleul-Neubert



Bildnachweis:

Abb. 4, 16, 25, 26, 30 und 42: Zeichnungen der Autorin nach Karten und Vorlagen von Tränkenschuh und Hassbergverein
Abb. 8: Wikipedia, Stichwort „Maria im Weingarten“
Abb. 10: Meister der Legende der Heiligen Lucia, Thronende Madonna mit Heiliger Maria Magdalena und den
Jungfrauen; www.malerei-meisterwerke.de
Abb. 11–13: Postkarten, in der Kirche erworben
Abb. 21: Wikipedia, Stichwort „Teufelsstein“
Abb. 29 und 40: Hassbergverein Veitenstein, bearbeitet S. 48 und S. 27
Alle anderen Bilder: Autorin


Literaturangaben:

Die Mainschleife

Kurt Derungs: Landschaften der Göttin – Avebury, Silbury, Lenzburg, Sion; edition amalia 2000
Erni Kutter: Der Kult der drei Jungfrauen, Books on Demand, o.J. Norderstedt

Maria im Weingarten
Wallfahrtskirche St. Maria im Weingarten Volkach, Schnell Kunstführer Nr. 227, 7. Aufl. 2005
Touristinformation: „Ein Rundgang in Volkach und an der Mainschleife“, Karte
Wikipedia: Stichworte „Maria im Weingarten“, „Vesperbild/Pietà“
Josef Treutlein/Johannes Martin: "Fränkischer Marienweg - Marienwallfahrtsorte und Gnadenstätten in
Unterfranken“, Kapitel „Maria im Weingarten“, S. 76 f

Lichtenstein und Teufelsstein
Erni Kutter: Der Kult der drei Jungfrauen, Books on Demand, o.J. Norderstedt, Kapitel „Die Drei und die Neun
als kosmische Ordnungssymbole“
Martina C. Trapper: Der Teufelsstein auf dem Lichtenstein, prisma magazin Nr. 83, 2011
Hartmut Schmied: „Geister, Götter, Teufelssteine – Sagen- & Legendenführer Mecklenburg-Vorpommern,
Hinstorff Verlag 2005
Ingrid Schmidt: Götter, Mythen, Bräuche von der Insel Rügen, Hinstorff Verlag 1997
Irene und Oswald Tränkenschuh: Felsenkräfte – Kraft der Erde. Eine geomantische Heilweise, Mandragora
Verlag Königsberg i.B., 5. Aufl. 2002 (1989)
Oswald Tränkenschuh: Begleiter zu den alten Kraftorten am Beispiel Hassberge, Mandragora Verlag
Königsberg i.B. 1999
Wikipedia: Stichworte „Burg Lichtenstein (Unterfranken)“ und „Teufelsstein (Hassberge)“

Burg Rotenhan
Irene und Oswald Tränkenschuh: Felsenkräfte – Kraft der Erde. Eine geomantische Heilweise, Mandragora
Verlag Königsberg i.B., 5. Aufl. 2002 (1989)
Oswald Tränkenschuh: Begleiter zu den alten Kraftorten am Beispiel Hassberge, Mandragora Verlag
Königsberg i.B. 1999
Wikipedia: Stichwort „Burgenkundlicher Lehrpfad Hassberge“

Veitenstein
Haßbergverein Veitenstein Breitbrunn und Brüder Köder aus Schweinfurt (Hg): „Rund um den Veitenstein“, 3. Aufl. 1997
Irene und Oswald Tränkenschuh: Felsenkräfte – Kraft der Erde. Eine geomantische Heilweise, Mandragora
Verlag Königsberg i.B., 5. Aufl. 2002 (1989)
Oswald Tränkenschuh: Begleiter zu den alten Kraftorten am Beispiel Hassberge, Mandragora Verlag
Königsberg i.B. 1999