Eselsburger Tal
Das Tal an der Brenzschleife
Daniela Parr
An einem sehr milden Tag Anfang Januar reisen Doreen und ich mit Zug nach Herbrechtingen. Amüsiert nehmen wir zur Kenntnis, dass wir durch Heidenheim fahren. Offensichtlich sind wir auf dem richtigen Weg: in die Heimat der Heiden.
Vom Bahnhof aus laufen wir durch den Stadtgarten und werfen einen ersten Blick auf die Brenz, die sich durch den Park schlängelt. Bevor unsere Wanderung beginnt, stärken wir uns in der Pizzeria, die uns empfohlen wurde. Gerade, als wir aufbrechen wollen, beginnt es zu regnen. Laut Wetterbericht sollte es sonnig bleiben. Der Wirt der Pizzeria leiht uns freundlicherweise seinen Schirm.
Wir kommen an einem hübschen Fachwerkhäuschen vorbei, welches das Heimatmuseum beherbergt. Leider hat es nur sonntags geöffnet.
Das Eselsburger Tal beginnt gleich hinter den letzten Häusern. Am Eingang schauen wir uns die Übersichtskarte an. Die Brenz verläuft in einer einer großen Schlaufe um den Umlaufberg "Buigen" herum. Der Berg ist mit einem Bannwald bedeckt. Die Herkunft des Wortes „Buigen“ von „sich biegen“ erklärt sich beim Anblick des Flusslaufes von selbst.
Wir folgen der Brenz, die zwischen dem Umlaufberg und dem langgestreckten Radberg eingebettet ist. Ich klettere
nach oben und lasse mir den frischen Wind um die Nase wehen. Statt des erwarteten Berggrats überrascht mich eine Ebene. Mir wird klar, dass das Tal nicht von Bergen
eingerahmt wird. Stattdessen hat sich die Brenz ihren Weg 60 Meter tief in die Albhochfläche
eingegraben.
Von hier oben aus kann
ich das ganze Tal bis zur Flussbiegung überblicken. Ein wunderschöner Anblick. Unten im Tal sehe ich Doreen in ihrer roten Jacke. Sie läuft lieber am Wasser entlang.
Der vordere Teil der Brenz wurde renaturiert. Das Wasser liegt azurblau in den neu angelegten Teichen. Als dann auch noch der Nieselregen aufhört und die Sonne herauskommt, ist alles perfekt.
Der Untergrund des Eselsburger Tals besteht aus Massenkalk aus dem Weißjura, aus dem durch Verwitterung und Erosion markante Felsformationen entstanden sind. Auf dem steinigen Boden wachsen die für die Alb typischen kargen Magergraswiesen in Kombination mit Wacholderbeersträuchern. Zusammen mit den hier und da herausspitzenden Felsen eine malerische Kulisse.
Die Steinernen Jungfrauen erkenne ich sofort. Nur wenige Meter dahinter kann ich auf einem steilen Pfad nach unten klettern. Ich muss nur ein kleines Stück zurücklaufen und schon stehe ich vor den sehr imposanten Felsgebilden, an denen auch Doreen zwischenzeitlich angekommen ist.
Von unten sehen die beiden Felsspitzen noch eindrucksvoller aus. Die Steinernen Jungfrauen stehen wie Wächterinnen an der Biegung der Straße. Auf den ersten Blick sind es zwei. Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass es eine dritte Wächterin in der Mitte gibt, deren Spitze abgefallen ist. Sie liegt daneben am Hang. Die beiden vollständigen Steingöttinnen werden mit Metallstäben zusammengehalten, damit sie nicht auch abbrechen. Dem Gesamteindruck schadet das gar nicht. Wir sind sehr beeindruckt von den drei Göttinnen, die hier vor uns sitzen.
Hier unten ist es überraschend mild und windstill: im Vergleich zu oben ein schöner Kontrast.
Die sich hinter den Steinernen Jungfrauen befindende Bernhardshöhle versteckt sich gut. Wir vermuten sie in einem kleinen Felsloch, das wir von unten sehen können. Drinnen liegt in einer Mulde ein Stückchen Rinde mit mehreren Hagebutten darauf. Bei der Bernhardshöhle soll es sich allerdings um eine tiefe Höhle handeln. Offensichtlich will sie sich an diesem Tag nicht von uns finden lassen.
An der Biegung der Brenz liegt der idyllische
Weiler Eselsburg. Gleich vorne kommen wir an einem Bio-Hof mit Laden vorbei. Wir haben schon die ganze Zeit Autos beobachtet, die in Richtung Eselsburg fahren und
kurz darauf wieder zurückkommen. Hier kauft wohl die lokale Bevölkerung ein.
Nach kurzer Suche finden wir den steilen Pfad, der zur sogenannten „Ruine Eselsburg“ führt. Der schmale Pfad führt oben auf dem Plateau in ein Gebüsch. Wir überschreiten einen Graben und haben den Eindruck, den inneren Bereich des Kraftplatzes zu betreten. Ein paar Meter weiter werden wir mit einem tollen Ausblick auf den "Buigen" der Brenz belohnt. Es ist deutlich zu spüren, dass es sich um einen alten Kraftplatz handelt. Auf dem Rückweg kommen wir an einem kleinen Mauerrest der Eselsburg vorbei. Auch diesem Kultort blieb eine Überbauung nicht erspart.
Im Vorbeigehen sehen wir die zwei Holzhäuser der Ferienresidenz "Falkenstein", über denen auf dem Hügel ein quaderförmiger Stein thront. Eine Übernachtung an diesem lauschigen, ruhigen Plätzchen direkt an der Brenzschlaufe stellen wir uns sehr erholsam vor.
Da es Januar ist, steht die Sonne nicht besonders hoch. Auch wenn es nur noch eine halbe Stunde dauert bis sie untergeht, biegen wir noch schnell zur Spitzbubenhöhle ab. Die eher kleine Höhle führt etwa fünf Meter in den Fels hinein. Es ist gut vorstellbar, dass sie in der Jungsteinzeit als Wohnhöhle genutzt wurde. In der Gegend des Eselsburger Tals soll es an die vierzig solcher Höhlen geben.
Links des Weges haben wir immer wieder kleinere und größere Felsformationen bemerkt, die mich an den Neutrasfelsen in Neutras und an den Teufelsstein in Franken erinnern. Wir vermuten, dass auch im Eselsburger Tal diese Steine kultisch verehrt wurden.
Da es nun wirklich dunkel wird, sehen wir zu, dass wir nach Falkenstein kommen. Wir wundern uns, dass wir überhaupt keine beleuchteten Häuser sehen. Wir hatten gehofft, dass uns der Lichterschein den Weg weisen würde. Auf Höhe von Falkenstein wird uns klar warum. Die Häuser stehen zirka 50 Meter über uns auf dem Felsen des Hochplateaus.
Obwohl wir auf eine Brücke zulaufen, sehen wir sie kaum. Auf Höhe der Bindsteinmühle halten wir uns rechts, da wir hinter dem Hügel Herbrechtingen vermuten. Im Stockdunkeln durchqueren wir den Bannwald. Den Weg unter unseren Füßen können wir nur
erahnen. Auch hinter dem Wald auf dem Hochplateau ist es nicht
viel heller. In westlicher Richtung können wir die Lichter von An-hausen erkennen. Herbrechtingen versteckt sich immer noch im Dunkeln. Erst drei Feldwege
weiter erreichen wir die ersten Häuser.
Wir
geben den geliehenen Schirm in der Pizzeria zurück, besorgen uns ein kleines
Abendessen im Supermarkt und nehmen einen der letzten Züge nach Stuttgart. Im Zug lassen wir es uns schmecken und sinnieren über unsere gelungene Winterwanderung und den
abenteuerlichen Rückweg.
Eine Wanderung im Februar
Mitte Februar besuchen Doreen und ich in Begleitung von Silvia den Teil des Eselsburger Tals, den wir beim ersten Mal nur im Dunkeln durchwandert haben. Dieses Mal laufen wir die Runde um den "Buigen" anders herum.
Vom Bahnhof aus geht es geradeaus in Richtung An-hausen. Schon beim letzten Besuch ist uns aufgefallen, dass der Ortsname sicherlich auf die Bethe An-beth zurückzuführen ist.
Nach ungefähr einem halben Kilometer gelangen wir zu einem Kneipp-Becken. Im Winter ist das Wasser abgestellt. Im Sommer wird es mittels einer Solarzelle elektrisch von der Brenz nach oben in das Becken gepumpt. Nach einer langen Wanderung kann frau sich hier die Füße kühlen und ein wenig ausruhen.
Die Brenz fließt ruhig in ihrem Flussbett dahin. Dieser Teil bietet mehrere lauschige Plätzchen zum Verweilen. Wir sehen viele grüne Wasserpflanzen, die einen schönen Kontrast bilden mit dem azurblauen Wasser und dem blauen Himmel, der sich im Fluss spiegelt.
Gleich gegenüber taucht der altbekannte Ausläufer des Bannwaldes auf. Seine Wachholderheide mischt sich nach einigen hundert Metern mit hellgrauen Felsen, die hier und da aus dem Boden ragen. Auch jetzt im Winter ist dies mit den kahlen Bäumen ein schöner Anblick. Beim Hinaufsteigen probieren wir die dunklen Beeren der Wacholderbüsche. Oben lassen wir uns den frischen Wind um die Nase wehen. Von hier aus können wir schon den Bindsteinfelsen erkennen, der imposant in die Höhe ragt.
Am Fuße des Bindsteins lesen wir auf einem Schild, dass es früher oben
auf dem Felsen einen Wohnturm mit einer zugehörigen Siedlung gegeben habe. Der Turm sei über eine Zugbrücke zugänglich gewesen. Auf dem Felsen finden wir tatsächlich ein kleines Plateau. Die letzten Meter sind allerdings so steil, dass wir nicht bis zur vorderen Spitze klettern. Stattdessen steigen wir lieber ein Stück den Bannwald hinauf. Dort finden wir mehrere Felsausläufer, die sich bis zu seinem höchsten Punkt erstrecken. Dies erinnert uns stark an eine Drachin. Der Bindstein ist ihr Kopf und im Wald liegen die Zacken ihres Rückens. Zu ihren Füßen endet ein Alt-Arm der Brenz.
Schon von weitem sehen wir auf der gegenüberliegenden Seite der Brenz den Falkenstein mit seinen Häusern aufragen. Wir überqueren eine Brücke und folgen dem gewundenen Weg nach oben. Es überrascht uns, nur eine Burg und einen Bauernhof vorzufinden. Als wir beim letzten Besuch im Dunkeln am Fuß des Felsens vorbeigelaufen sind, vermuteten wir dort oben eine ganze Ortschaft.
Wir schauen uns den Bauernhof an und schlendern zwischen den frisch
renovierten Gebäuden der Burg herum. Ein Hund bellt uns an, als wir uns am Brunnen erfrischen.
Der Weg zum Aussichtspunkt führt auf eine interessante Felsformation, die steil am Berg abfällt. Zur Plattform müssen wir einige steile Stufen hinabsteigen. Der vorspringende Felssporn öffnet den Blick ins gesamte Eselsburger Tal. Sowohl die Brenz mit ihrer Schlaufe, als auch der Bannwald bieten von oben einen idyllischen Anblick. Die Magie des Tals ist mit Händen zu fassen.
Kurz bevor wir die Biegung der Brenz erreichen, machen wir einen erneuten Abstecher zur Spitzbubenhöhle. Im Tageslicht stellen wir fest, dass es einen zweiten Höhleneingang gibt. Ein Spalt führt zirka 10 Meter in die Felswand hinein. Hinten verengt er sich weiter und wird zu einem richtigen Schlupf. Am Ende des Ganges ist es möglich noch ein ganzes Stück weiter auf allen Vieren in den Felsen zu kriechen. Wir nehmen uns die Zeit, zu dritt schweigend in der Höhle zu sitzen. Als wir heraustreten, sehen wir, dass der langgestreckte Höhleneingang aussieht wie eine Vulva.
An der Biegung der Brenz steigen wir zum thronenden quaderförmigen Felsen hinauf. Das haben wir beim letzten Mal nicht geschafft.
Der gesamte Hügel ist mit einer golden schimmernden Magergraswiese überzogen. Der Bewuchs ist sehr unterschiedlich. An einigen Stellen sprießt das Gras nur so, an anderen Stellen ist die Erde fast kahl. Vereinzelt strecken Büsche ihre Zweige in den kalten Wind.
Wir stellen fest, dass der Felsen gar nicht quaderförmig ist. Er erinnert uns eher an einen Menhir. Wir setzen uns an den Stein und genießen die Atmosphäre. Es ist sehr windig und langsam wird es auch dunkel und kalt. Darum gehen wir auf dem Hügel weiter und genießen den letzten Ausblick ins Tal, hinter dessen Bergkamm gerade die Sonne untergeht.
Den Rückweg nach Herbrechtingen treten wir wie beim letzten Mal im Dunkeln an. Deshalb bleibt die Bernhardshöhle hinter den Steinernen Jungfrauen auch bei diesem Ausflug von uns unentdeckt. Im Vorbeigehen grüßen wir die drei steinernen Göttinnen, die rechts am Wegesrand über unseren Heimweg wachen. Dieses Mal dauert es gar nicht lange, bis wir die ersten Häuser von Herbrechtingen sehen können.