Region 10
Neckarland, Schwäbische Alb, Schwarzwald


Wutachschlucht
ein Wintermärchen
Daniela Parr


Bei knackigen Temperaturen um den Nullpunkt herum, machen wir uns mit unserer Gastgeberin Lieselotte Wick auf den Weg in die Wutachschlucht. An der Schattenmühle beginnen wir unsere Wanderung. Direkt hinter dem um diese Jahreszeit geschlossenen Restaurant weist uns ein großes Hinweisschild den richtigen Weg. Wir steigen einen steilen Pfad hinauf, da der Wanderweg entlang der Wutachschlucht etwas oberhalb des Flusses verläuft.

Oben werden wir mit dem Anblick einer wunderschön bemoosten Eiszapfenlandschaft belohnt.

Unter uns fließt fröhlich die Wutach in ihrem Flussbett dahin. Wir erfahren, dass die Wutach flussaufwärts zwischen dem Titisee und Neustadt noch „Gutach“ heißt, da sie dort träge in ihrem Flussbett liegt. Nach dem Zufluss der Haslach wird sie „Wutach“ genannt, da sie hier unten durch eine viel steilere Schlucht rauscht. Die Wintersonne spiegelt sich wundervoll im dahinströmenden Wasser.

Wir folgen weiter dem frostigen Wanderweg. Im Moment sind wir die einzigen Wanderinnen weit und breit. Auf dem gefrorenen Weg läuft es sich prima.

Ein paar Meter weiter überdacht eine riesige Fichte den Wanderweg. Darunter entdecken wir eine kleine Sitzkuhle, die wir gleich einmal ausprobieren. Sie scheint wie für Waldwichtel gemacht zu sein.

Wir bewundern auch die Rotsandsteinhügel zu unserer Linken, die teilweise wie alte Gesichter wirken. Ein Schild vor der Schlucht beschreibt noch einige andere Gesteinsanten in der Wutachschlucht.

An der nächsten Kurve liegen ein paar Bäume quer, über die wir klettern müssen. Direkt dahinter treffen wir auf die Wächterin der Wutachschlucht, eine Steinformation in Form einer Drachin. Sie blickt uns direkt in die Augen und hütet den schmalen Durchgang zu einer großen schneebedeckten Lichtung. Erstaunlich, wie unterschiedlich die Landschaft hier sein kann.

Wir suchen nach dem besten Weg und tauchen am anderen Ende der Lichtung wieder in einen Wald ein. Zwischen den Steinen und Wurzeln hat sich durch den seitlichen Wasserzulauf eine interessante Wasser-Eis-Landschaft gebildet. Wir überlegen umzukehren, balancieren aber vorher zum Spaß noch auf die andere Seite, um uns auch von dort die Eisgebilde anzuschauen. An dieser Stelle kommen uns zwei verwundert dreinblickende Männer entgegen. Sie sehen aus wie Vater und Sohn. Wahrscheinlich wundern sie sich, dass es noch andere Verrückte gibt, die sich bei diesem Wetter auf eine Winterwanderung in die Schlucht begeben.

Für uns wird es jetzt Zeit, zurückzugehen. An einer weder vereisten noch glatten Stelle, stolpert Lieselotte plötzlich ohne Grund und rutscht auf allen Vieren den Abhang hinunter. Doreen und ich schauen fassungslos, wie sie ein Stück den Berg hinunterkullert. Geistesgegenwärtig streckt sie alle Viere von sich und stoppt damit schnell ihre Talfahrt. Erst nachdem wir Lieselotte wieder unversehrt nach oben gezogen haben, können wir herzhaft darüber lachen. Später am Tag findet sie noch bei mehreren Gelegenheiten Andenken an ihre Stunt-Einlage in ihrer Kleidung.

Auf unserem Rückweg grüßen wir noch mal kurz die Drachin, verabschieden uns von den Waldwichteln und machen uns auf den Weg zum Auto.

Auf der anderen Seite des Parkplatzes werfen wir einen kurzen Blick in die Lotenbachklamm, die jetzt im Winter einen sehr idyllischen Eindruck macht. Wir werden auf jeden Fall wiederkehren und uns das alles noch mal im Sommer anschauen.

Daniela Parr