Region 10
Neckarland, Schwäbische Alb, Schwarzwald


Kirchheim (Teck)
Landschaftsgöttin Teck
von Evelin Lang

Von meinem Dachfenster aus kann ich sie sehen, die Teck und ihre Schwester, die Limburg. Wann immer ich Zeit habe, besuche und bewandere ich sie. Viele Aussichtspunkte und Wanderwege können begangen und erklommen werden. Die neue S-Bahnerweiterung soll Natursuchende aus der nahen und fernen Umgebung nach Kirchheim und Umgebung bringen. Dieser schwäbische ‚Flecken’ Erde hat einiges zu bieten. Streuobstwiesen mit ihrer vielfältigen Pflanzen- und Tierwelt, das Freilichtmuseum und das Thermalbad in Beuren.

Und nun auch eine Landschaftsgöttin. Viele Jahre blieb sie unerkannt. Nur die Sage vom Teckberg offenbart eine weibliche Gestalt, die unverkennbar als Regentin der Region beschrieben steht. Sibylle von der Teck: Seherin, Heilerin und Trägerin der matriarchalen Weisheit, denn ihren Reichtum verschenkte sie großzügig an das notleidende Volk. Sie verließ ihre Heimat wegen ihrer raubenden und Menschen quälenden Söhne, die für den neuen, brutalen Menschenschlag des Patriarchats stehen.

So galt ihr Revier als Aufenthaltsort der Hexen und Geister, ein Hinweis für die kultische Tätigkeit ihrer Priesterinnen auf ihrem Landschaftsleib oder Landschaftstempel. Ein Weg zur Teckhöhe führt von Bissingen aus über den Hexenweg.

Betrachten wir den Teckberg von Westen oder östlich von der Limburg aus, erkennen wir den Höhenzug als ihren Leib, die Erhöhung mit der Burg Teck als ihren Busen, anschließend ihren Kopf, den eine Haube, das Hörnle, schmückt.

Foto: Evelin Lang

Die Sibyllenhöhle, direkt unterhalb der Burg, versinnbildlicht ihren Schoß. Im Westen als Eingang, der Himmelsrichtung des Todes, konnte sie früher zu kultischen Zwecken durchschritten werden, so dass die Frauen im Osten zur Wiedergeburt wieder hervortraten. Eine weitere Höhle, die Verena-Beutlinshöhle, früher Verena-Bubelinsloch genannt, weist laut Kurt Derungs auf den Ort einer mythischen Kinderschenkerin hin. Früher gab es so ziemlich in jeder Ortschaft eine solche Stelle, mal als Quelle oder Bach, mal als Teich oder Brunnen. Ein Brunnen in Grötzingen bei Nürtingen heißt der ‚engelisbrunn’, das Goldloch in Schlattstall und der Kaibrunnen in Frickenhausen, an dem drei schneeweiße Frauen, die man Nonnen nennt, singen, sind weitere Orte dieser Gegend der Überreichung von Kinderkeimen durch die Landschaftsahnfrau.

Die Marienkirche in Owen, dem Ort unterhalb der Teck, beherbergt einen Dreiflügelaltar. Rechterhand ist Maria im roten Umhang, einem Kelch in der rechten und ein Buch in der linken Hand, sowie eine Turm zu ihren Füssen dargestellt. Drei Symbole, die auf Maria übertragen wurden und auf die drei Bethen verweisen.

Drei Frauen in der Mitte tragen einen Heiligenschein, zwei Männer, selbst der dargestellte Jesus sind ohne Glorienschein dargestellt. Die Verschleierungstaktik der Künstler fand Mittel und Wege ihrer Anbetung der drei Schicksalsfrauen Ausdruck zu verschaffen.

Im Nachbarort Beuren in der Nikolauskirche können wir die hl. Margarethe mit dem Teufel, die hl. Katharina mit dem Schwert und die hl. Barbara mit Kelch ausmachen.

Unübersehbar die christliche Version der drei Bethen. Eine fast unkenntliche Wandmalerei dreier Frauengestalten mit Heiligenschein, die linke in schwarz, die mittlere in weiß und die rechte in gold und grün gekleidet verweisen auf die schwarz-rot-weiße matriarchale Göttin, hier als die drei Schicksalsfrauen oder Bethen.

Nicht weit von der Teck, auf der Limburg, hat sich der Kindlibrunnen erhalten. Auch hierher kamen die Frauen der Gegend, um sich eine Kinderseele zu holen. Durchaus möglich, dass hier eine Mädchenseele und in der Verena Höhle eine Bubenseele überreicht wurde.

Die Limburg ist ein beeindruckender Landschaftsbauch nahe der Teck. Jungsteinzeitliche Siedlungsspuren auf ihrer Anhöhe sowie östlich und westlich an ihrem Fuße belegen ihre frühe Bedeutung.

Einst hieß sie Lindberg, nach der Lindach benannt. Dieser Bach versinnbildlicht die Flussgöttin oder Flussschlange, wie wir sehr schön am ,Lind’wurm oder Drachen der örtlichen Sage sehen können. Dieser Lindwurm wird als furchtbares, menschenverschlingendes Ungeheuer geschildert. Erst Georg der Drachentöter kann dieses Untier erlegen. Georg steht hier für das Christentum, dass die dämonisierte Göttin, die alte Spiritualität verkörpernd, in Form des Drachens bekämpft und besiegt. 

Dies gelingt den christlichen Machthabern jedoch nur zum Teil, denn das Volk, das an seiner alten Spiritualität hängt, findet Mittel und Wege, um gegen das ihnen auferlegte Los zu rebellieren, Göttin sei Dank! Die Burg selbst, sowie die darin befindliche Michaelskapelle verweisen auf die heidnisch kultische Bedeutung für unsere VorfahrInnen und den Zwang der Überlagerung seitens der Nachfolger.

Michael sowie Georg kennen wir als Drachentöter.

In der Kirche Weilheims, dem Ort unterhalb der Limburg, steht die Peterskirche.

Die Darstellung der ‚Heiligen Familie’ zeigt sämtliche Frauen und Kinder mit Heiligenschein. Keiner der Männer trägt einen. Das nenne ich schwäbischen Eigensinn, schwäbische Rebellion, denn der Glorienschein steht für die Göttlichkeit der Dargestellten. 

Beim Stöbern im ‚Ortsnamenbuch des Kreises Esslingen’ las ich zum ‚Pfundhardhof’, einem jungsteinzeitlichen Fundort südöstlich Weilheims, „Wilhain“. Dieses Wilhain bezeichnet den Hain der Wilbeth und der Ortsname Weilheim wird von diesem Wilhain abgeleitet sein.

Wilbeth ist uns als Teil der Triade der drei Bethen bekannt. Sie ist die Rote der Weiß-Rot-Schwarzen Frauendreiheit, nämlich Borbeth, Wilbeth und Ambeth. Somit gab es auch in meiner Heimat eine Verehrung dieser Bethen, in denen wir die Fortsetzung des Kultes um die dreifache Göttin des Matriarchats sehen können. Auch der Name Peterskirche stellt einen Hinweis auf die Verehrung der drei Bethen dar.

So wie die Teck handelt es sich bei der Limburg um eine liegende Landschaftsahnin.

Die beiden Hügel Dachsbühl und Egelsberg versinnbildlichen ihren Busen, die Limburg stellt ihren Bauch dar und das Neidlinger Tal mit dem Wasserfall erscheint als ihr Schoß. So liegt sie auf dem Rücken in der Landschaft, ebenso wie die Teckahnin.

Beim Rückweg von ihrem Schoss, dem Wasserfall, erschließt sich an einer Stelle ein wunderbarer Blick in die Ferne: Der südwestliche und nordöstliche Albtrauf bildet ein Dreieck, in welchem die Limburg zu liegen kommt. An ihrem rechten Fuß findet gerade eben so die Kirche Weilheims Platz. Ein beeindruckendes Zeugnis der christlichen Vereinnahmung.

Nach einer Neidlinger Sage soll ein Riese die Lindachquelle und den Wasserfall durch einen Fußtritt verursacht haben. Riesen verweisen auf vorchristliche Bevölkerung und können auch als Hinweis auf die Bethen gelten. Denn oberhalb des Wasserfalls steht die Ruine Reußenstein. Laut P. Stierle steht in einer Urkunde aus dem Jahr 1675: ,ob der rissen die hinabgehet’ und in einer Akte des Weilheimer Armenkastens ‚unterm reissenden Stein’ (1583). Er resümiert: .....dass der Name Reußenstein keine Urzeugung der Herren Reuß von Kirchheim ist, sondern ein echter Flurname, der einem örtlichen, natürlichen, aber auffallenden Landschaftsmerkmal seine Entstehung verdankt, nämlich einem mächtigen Felsen mit drei Riesen und einer Geröllhalde an seiner Flanke.

Hier sehen wir nun die Verknüpfung von Landschaft und Sage sehr schön. Hier wie dort bilden die Riesen den Mittelpunkt.

Ein weiteres Dreieck bzw. Schoßdreieck in der Landschaft bildet der Albtrauf südlich der Limburg. Der Blick dort oben vom Randecker Maar nach Norden eröffnet die ganze Pracht der Limburg im Tal. Hier oben begegnen uns die drei Schicksalsfrauen in einer Sage von drei ,Nonnen’. Zwei sollen die Dritte um ihr Geld betrogen haben. Sodann versank der Ort unter die Erde. Solcherart Sagen sind verbreitet und sollen das ehemalige Wissen um die drei heiligen Frauen vertuschen.

Mehrere Flurnamen aus der Region belegen die ehemalige Anwesenheit der Bethen. Dies ist Bettenhart nördlich der Limburg, Flurname Bettelkuche und Bettenmorgen in Qwen unterhalb der Teck, frühere Siedlung Bettenweyler bei Schlierbach, die Flur Bettwiesen in Unterensingen, Großbettlingen, Betzingen, Amstetten bei Geislingen, und Betzgenried im Kreis Göppingen.

Wie Ihr seht, gibt es in meiner (oder unserer) Heimat viel zu entdecken und welche sich für eine landschaftsmythologische Wanderung in der Region Teck interessiert, möge sich bei mir melden.

Evelin Lang

Referentin für Moderne Matriarchatsforschung – Akademie HAGIA
07153 /6 14 98 60 oder evelinlang@gmx.de

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