Region 9
Magdeburger Börde,  Lausitz und Spreewald, Leipziger Bucht, Sächsisches Hügelland, Erzgebirge


Die matriarchalen Wurzeln der Himmelsscheibe von Nebra

Zusammenfassung aus einer Abschlussarbeit der Akademie Hagia
von Ute Grempel


Die Himmelsscheibe von Nebra – Was, Wo, Wann

Die Bronzescheibe wurde 1999 bei einer Raubgrabung in der Nähe der Stadt Nebra in Sachsen - Anhalt gefunden und beim Versuch, sie in den Kunsthandel einzuschleusen im Februar 2002 in Basel beschlagnahmt. Sie ist im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle ausgestellt.

Die aus Bronze geschmiedete Scheibe hat einen mittleren Durchmesser von 32 cm und zeigt auf der einen Seite ein in Gold eingelegtes astronomisches Motiv. Das erstaunt nicht, hat doch gerade Mitteldeutschland eine lange Tradition in der Beobachtung des Sternenhimmels. Als Beispiel sei die 3.400 Jahre ältere Kreisgrabenanlage von Goseck erwähnt, die unseren Vorfahren unter anderem als Sonnenobservatorium diente.

Der Ort der Niederlegung der Himmelsscheibe von Nebra war eindeutig unter astronomischen Gesichtspunkten gewählt, denn sie wurde auf der Kuppe des Mittelberges, der sich am Rand des Unstruttales erhebt, vergraben. Das Harzmassiv mit dem Brocken befindet sich dort in Sommersonnwendposition, so dass an dieser Stelle ziemlich exakt die kürzeste Nacht des Jahres bestimmt werden konnte. Es kann davon ausgegangen werden, dass schon zur Benutzungszeit der Himmelsscheibe an diesen Orten heilige Feste veranstaltet wurden. Sichtlinien in der Landschaft haben immer eine besondere Bedeutung, können so doch über große Entfernungen hinweg Botschaften mit Hilfe von Feuer oder Rauch weiter gegeben werden.

Die Scheibe war Teil eines Bronzehortfundes, sie wurde zusammen mit zwei Bronzeschwertern, drei Beilen und einigen bronzenen Armreifen im Boden vergraben.

Das älteste mögliche Herstellungsdatum könnte zu Beginn des 2. Jahrtausends gewesen sein, weil zu diesem Zeitpunkt erstmals die technischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen gegeben waren, um solch einen komplexen Gegenstand zu schmieden. Da das Alter der Beifunde archäologisch gut zu bestimmen ist, ergäbe sich eine maximale Nutzungsdauer von ca. 400 Jahren, denn die Niederlegung der Scheibe im Bronzehort geschah etwa um 1600 v.u.Z..

Die Himmelsscheibe von Nebra wurde während ihrer jahrhundertelangen Nutzung mehrfach umgearbeitet. Daraus ist die Entwicklung und Veränderung sowohl astronomischer wie auch gesellschaftlicher Hintergründe deutlich zu erkennen. So spricht die Himmelsscheibe von Nebra ihre ganz eigene Sprache der Zeit.

Das Motiv

Auf der ursprünglichen Scheibe wurden 32 Goldpunkte, davon sieben zu einer Gruppe strukturiert, ein Goldkreis und ein größerer - ebenfalls goldener - Sichelmond angebracht. Später schmiedete man aus einer anderen Goldlegierung die so genannten Horizontbögen auf die Scheibe. Dabei wurde ein kleiner Goldpunkt versetzt und zwei verdeckt. In Phase drei wurde der dritte Horizontbogen auf die Himmelsscheibe angebracht. In der letzten Benutzungsphase versah man die Scheibe am Rand mit Löchern, die ohne Rücksicht auf das Motiv relativ grob durch das Metall getrieben wurden.

Die Einzigartigkeit der Himmelsscheibe führt immer wieder zu der Frage, inwiefern Wissenstransfer aus weiter entfernt liegenden Gebieten in ihre Entstehung eingeflossen ist.

Am Ende der frühen Bronzezeit spannte sich bereits ein weites Netz an Handelswegen quer über den Europäischen Kontinent, durch das es möglich wurde Waren und Wissen über weite Strecken hin auszutauschen. Es kann demnach eine Hilfe sein, sich auf die Suche in entferntere Gebiete zu machen, um das Rätsel des geschmiedeten Himmels Stück für Stück zu entwirren.

Eine kulturgeschichtliche Reise zurück durch die Zeit, um nachzuforschen, wann zum ersten Mal Symbole für astronomische Erscheinungen auftauchen, führt in das südliche Mesopotamien nach Sumer. Erste Besiedlungsspuren gab es dort schon im 11. Jahrtausend vor unserer Zeit. In den folgenden Jahrtausenden entstanden in diesem Gebiet zahlreiche Städte und eine ausgeprägte spirituelle und kulturelle matriarchale Hochkultur.

Die Sumerer waren Meister in der Beobachtung des Himmels und entwickelten das erste uns bekannte astronomische System. Unter anderem verwendeten sie vergleichbar dieselben Zeichen, wie sie auch auf der Himmelsscheibe zu sehen sind. Am häufigsten findet man dort die symbolische Darstellung von Venus und Mond. Später wurde die Bildsprache noch um das Piktogramm der Plejaden erweitert.

Wenn wir nach einem Ereignis am Himmel suchen, das wegen seines hohen Symbolgehaltes auf der Himmelsscheibe abgebildet worden sein könnte, so stoßen wir auf die Venus, die sich in zyklischer Wiederholung am Abendhimmel in der Nähe der Plejaden befindet. Der große goldene Kreis auf der Scheibe könnte demzufolge die Venus darstellen, die ja sogar mit bloßem Auge gut am Abend- oder Morgenhimmel beobachtet werden kann. Wenn während einer Konjunktion der Venus mit den Plejaden auch noch zeitgleich eine Bedeckung der Plejaden durch den Mond stattfindet, ist dies ein seltenes und beeindruckendes Schauspiel am Himmel.

Durch diese Betrachtungsweise wären die beiden goldenen Großobjekte und die auffällige Anhäufung von Goldpunkten in einen schlüssigen astronomischen Zusammenhang zueinander gesetzt. Den rhythmisch auf- und untergehenden, mal von der Erde aus sichtbaren dann wieder für eine zeitlang unsichtbaren Sternen, wurden göttliche Kräfte zugeschrieben.

So verwundert es nicht, dass eine der ersten frühen Hochkulturen diese für sie so wichtigen Himmelserscheinungen sowohl in symbolhafter Bildsprache darstellten, als auch in Form von mythologischen Erzählungen verehrten. So erschließt sich uns die Interpretation der astronomischen Motive über die Mythenstruktur der sumerischen Göttinnen. Denn einer von Frauen geprägten Gesellschaft steht ein weiblich belebter Kosmos gegenüber, der den weiten Boden für eine matriarchale Spiritualität darstellt.

So ist uns eine reiche matriarchale Mythenstruktur aus der sumerischen Hochkultur überliefert, von der die Inannamythe einer der ältesten und schönsten Beispiele ist. Inanna oder Ishtar, die Herrin des Himmels, war die Tochter des Mondgottes Nanna und der Mondgöttin Ningal und zugleich Göttin des Planeten Venus. Ihre Symbole sind die Mondsichel und der acht zackige Stern, der die Venus bedeutet.

Diese zwei Symbole, Venus und Mondsichel, waren das Signet der matriarchalen Göttin und beinhalten neben der astronomischen Lesart auf der Himmelsscheibe von Nebra auch eine spirituelle Bedeutung, die die Scheibe als sakrales Objekt mit matriarchaler Symbolik einordnet.

Die Himmelsscheibe als Teil eines Kalenders

Wir dürfen uns einen prähistorischen Kalender nicht so vorstellen, wie wir ihn von uns her kennen. Aus archäologischen Funden konnte rekonstruiert werden, dass ein so genanntes Kalendersystem existiert haben muss, welches aus mehreren Komponenten bestand: den Kalenderbauten, dem Ritualgegenstand, einem Datenspeicher und dem kulturhistorischen Zusammenhang, in den die jeweiligen astronomischen Berechnungen eingeordnet wurden.

Da Frauen in dieser Zeit in ihrer Umgebung kulturschöpferisch wirkten und bereits komplexe Stadtstrukturen (z.B. Catal Hüyük in Anatolien, ca. 7400 v.u.Z.) entwickelten, kann davon ausgegangen werden, dass auch die spirituellen und astronomischen Belange in Frauenhand lagen. Demzufolge verwende ich in meiner Arbeit die weibliche Form der Tätigkeit.

Die Beobachtung des Himmels und der Kalendergestirne waren eine Aufgabe der Priesterinnen oder Astronominnen. Diese erforschten die wichtigsten Gesetzmäßigkeiten des Himmels und übertrugen die kosmischen Gesetze von Mond, Sonne und Planeten auf die Ritualgegenstände oder Datenspeicher. Sie waren in der Lage, die aus der Beobachtung stammenden Erkenntnisse mit dem spirituellen Hintergrund ihrer Kultur zu verknüpfen. Wann immer in der frühen Zeit der Mond oder andere Himmelskörper in einem Kalendersystem abgebildet wurden, bezog sich die Darstellung also nie ausschließlich auf den von uns aus sichtbaren Himmelskörper, sondern immer auch auf den sakralen Aspekt einer Göttin.

Die Priesterin-Astronomin hütete also den kulturellen und spirituellen Kontext ihrer Kultur, gab das Wissen weiter und verknüpfte es mit der Berechnung von Zeit. Der weiblich verstandene Kosmos und eine mütterliche Erde wurden von den Menschen in Form der universellen Urgöttinnen verehrt. Die weltweit verbreitete Mondgöttin ist eine Tochter der

umfassenden Göttin des Kosmos oder sogar sie selbst. Auch einzelne Planetengöttinnen (wie die sumerische Inanna als Göttin der Venus) sind Töchter der Himmels- Urgöttin. Der weibliche Kosmos war belebt und heilig, genauso wie es das Leben auf der Erdengöttin in all seinen Erscheinungen gewesen ist.

Die Menschen richteten mit Hilfe der Kalender ihre heiligen Feste an astronomisch bedeutsame Ereignisse aus und lebten so im Einklang mit dem Universum. Alle zur Berechnung der astronomischen / heiligen Zeitbezugspunkte verwendeten Hilfsmittel waren demnach ebenfalls sakral. Wurde ein solches Gerät nicht mehr verwendet, wurde es unbrauchbar gemacht und ehrenvoll bestattet.

Auch die Himmelsscheibe von Nebra fällt unter den Begriff sakrales Werkzeug. Vor ihrer Deponierung am Mittelberg wurde sie durch Entfernung von einem der drei goldenen Bögen, säkularisiert. So ihrer Kraft beraubt, begrub man sie zusammen mit anderen Bronzeartefakten an dem Ort, an dem sie zuletzt benutzt worden ist.

Zwei Kalendersysteme in Konkurrenz

Die mehrfachen Umarbeitungen hinsichtlich ihrer astronomisch-kalendarischen Nutzung lassen den Schluss zu, dass die Nutzungsdauer der Himmelsscheibe von Nebra in die Zeit einer umfassenden Kalenderreform fällt. Verursacht durch Veränderungen der Lebensumstände und Neuerungen in der Gesellschaftsstruktur war es möglich, dass ein Kalendersystem von einem anderen, welches nun den Bedürfnissen der Menschen besser entsprach, verdrängt wurde. Eine solche Umstrukturierung die den Wesenskern der Menschen betrifft, ihre Definition von Zeit genauso wie ihren Bezug zu den göttlichen Kräften, geschieht nicht einfach so, sondern ist Ausdruck eines tief greifenden Wandels in der Gesellschaftsstruktur.

Es ist naheliegend, dass der älteste Kalender ein Mondkalender ist. Wunderschön dargestellt im Halbrelief in der Höhle von Laussel. Dort ist eine Frauenfigur verewigt, die eine Hand auf ihr Schoßdreieck legt und in der anderen Hand ein Horn mit 13 Einkerbungen hält. Die Symbolik kann offensichtlicher nicht sein: Einerseits die Darstellung der 13 Mondmonate im Jahr, anderseits der Bezug zum weiblichen Zyklus.

Ähnlich der so genannten Neolithischen Revolution, die sich durch den Übergang vom Sammlerinnentum zur sesshaften Lebensweise ausdrückte, geschah im geistig-spirituellen Weltbild der frühen matriarchalen Hochkulturen ein umfassender Bewusstseinswandel.

Neben der universellen Mondgöttin wurden, bedingt durch die sesshafte Lebensweise, zur Berechnung von Zeit andere Himmelsgöttinnen wichtig. Der altsteinzeitliche Mondkalender bildete jedoch die Grundlage für alle anderen Kalendersysteme.

Der Tag oder die Nacht waren der Zeitstandard für den Mondmonat und mit dem Mondmonat begann man die Bewegung der Sonne und anderer damals schon bekannter Planeten, wie zum Beispiel Venus, Mars, Jupiter und Saturn zu messen. Da die Zyklen der Kalendergestirne sichtbar unterschiedlich waren, gab es mehrere Kalendersysteme die parallel im Gebrauch waren. So also einen Sonnenkalender, einen Mondkalender und einen Planetenkalender.

Diese drei Kalender waren von der Jungsteinzeit bis zur frühen Bronzezeit parallel und sich ergänzend in Gebrauch und sind es zum Teil heute noch. Der dreifache Kalender hat den Vorteil, dass damit alle wichtigen spirituellen Ereignisse die sich auf astronomische Konstellationen beziehen, berechnet werden konnten: Von den monatlichen Festtagen des Voll- und Dunkelmondes über die Äquinoktien und Sonnenwenden bis zu den längerfristigen Mondwenden und Planetenzyklen.

Auch die Himmelsscheibe von Nebra symbolisiert alle drei Kalender, denn mit ihrer Hilfe könnten sowohl die Sommer-und Wintersonnenwenden am Fundort berechnet, als auch die relevanten kalendarischen Bezugspunkte der Venus dargestellt worden sein. Den lunaren Bezug auf der Scheibe findet man in der symbolisch-geometrischen Darstellung des 18,6 jährigen Mondknotenzyklus, der mit einer Bedeckung der Plejaden durch den Mond einhergehen kann und somit ein eindrückliches Himmelsereignis darstellt.

Schwierig wurde es die unterschiedlichen Kalender miteinander zu synchronisieren. Damit stand man vor einer großen Herausforderung, denn es gibt keinen astronomischen Zyklus, der all diese unterschiedlichen Bewegungen der einzelnen Himmelskörper miteinander vereinen kann. Demzufolge war man gezwungen die von den Menschen geschaffenen Kalendersysteme früher oder später mit dem Naturereignis, das ja die Grundlage der Messung ist, wieder in Übereinstimmung zu bringen, in dem man so genannte Schalttage oder sogar Schaltmondzyklen einfügte.

In Bezug auf die ursprüngliche Fassung der Himmelsscheibe von Nebra, das heißt 32 kleine Goldpunkte, ein großer goldener Kreis und der Sichelmond wäre es denkbar, dass dort eine klare Schaltregel abgebildet worden ist. Mit ihrer Hilfe wären die Astronominnen in der Lage gewesen exakt den Zeitpunkt der Schaltung zu bestimmen, denn das synodische Mondjahr läuft nach drei Jahren dem Sonnenjahr 3 x ca.11=33 Tage hinterher.

Die 32 kleinen Goldpunkte auf der Scheibe markieren die Summe der Tage zwischen den Jahren und nach drei Sonnenumläufen wird mit dem großen goldenen Kreis auf der Scheibe bekannt gegeben, dass ein Schaltmonat in das Jahr einzufügen ist.

Die Jahreslänge eines Lunisolarkalenders ist erheblichen Schwankungen unterworfen, je nachdem ob es in dem betreffenden Jahr einen Schaltmonat gibt oder nicht. So begann man möglicherweise nach einer exakteren Methode zu suchen die Jahre in etwa gleich lang zu lassen. Statt dem Schaltmonat wurde die jährliche Differenz als 11 bis 12 „heilige“ Nächte auf das Mondjahr hinzu gerechnet, um so auf die 365 Tage des Sonnenjahres zu kommen. Die uns heute noch bekannten 12 Rauhnächte oder Weihenächte, die „Tage zwischen den Tagen“, eine Zeit in der die Grenzen zwischen den Welten verschoben sind und die zu keiner Zeit gehören zu scheinen, gehen also auf eine der ersten Kalenderreformen der Menschheit zurück und haben ihre besondere Bedeutung durch die Jahrtausende hindurch bis zum heutigen Zeitpunkt erhalten.

Durch das Aufschmieden der zwei Horizontbögen mit deren Hilfe man die Sonnenwenden berechnen konnte, gewann der Aspekt der Sonnenbeobachtung auf der Himmelsscheibe mehr und mehr an Bedeutung, wodurch möglicherweise der lunare Bezug mit der Zeit nicht mehr schlüssig gedeutet werden konnte.

Der Aunjetizer Kulturkomplex

Auf Grund von Metallanalysen, Fundort, Beigaben und Art der Deponierung im Erdreich konnte die Himmelsscheibe von Nebra einer frühbronzezeitlichen Kultur zugeordnet werden, die im groben Zeitrahmen von ca. 1900 – 1500 vuZ. zwischen Böhmen/Mähren über Mitteldeutschland bis nach Schlesien/Großpolen verbreitet gewesen ist. Es war die Aunjetitzer Kultur, benannt nach dem ersten Fundort Únetice nordwestlich von Prag.

Ein einheitliches Bild der Aunjetitzer Siedlungsspuren ist nur schwer zu erstellen, zu groß ist ihre räumliche Ausbreitung und der zeitliche Rahmen. Als kleinster gemeinsamer Nenner können dorfähnliche Strukturen angenommen werden mit einer homogenen Bevölkerung, aus denen man einen familien-oder sippenähnlichen Aufbau der Bevölkerung ablesen kann. Eine zentrale Verwaltung des gesamten Aunjetitzer Besiedelungsgebietes, die auf eine stark hierarchische Bevölkerungspyramide schließen lässt (siehe Ägyptische Regierungs- und Verwaltungsform), ist nicht zu belegen.

Einzelne Prunkgräber zu Beginn der Aunjetitzer Zeit, zum Beispiel das so genanntes 'Fürstengrab' von Leubingen, sind eher eine lokale und temporäre Erscheinung, die keine Auswirkung auf das Gesamtbild der Frühbronzezeit hatten. Zu bemerken wäre in diesem Zusammenhang, dass weit mehr reich ausgestattete Fraueneinzelgräber in dieser Epoche existierten. Von 'Fürstinnengräber' spricht allerdings niemand. Zumindest im westlichen Verbreitungsgebiet der Aunjetitzer Kultur war festzustellen, dass Männer generell deutlich weniger Grabbeigaben erhielten als Frauen.

Spannend wird die Situation am Ende der Frühbronzezeit, etwa um 1600 vuZ, dem Zeitpunkt an dem die Himmelsscheibe von Nebra vergraben wurde und sich die Zeit der Aunjetitzer dem Ende zu neigte. Die Archäologen sprechen von einem umfassenden Strukturwandel, der sich vom Osten aus über ganz Mitteleuropa ausbreitete. Auf einer zeitlichen Achse verschieben sich schon zum Ende der Frühbronzezeit die weiblichen und männlichen Vertreter der oberen Gesellschaftsschichten zugunsten der Männer. Frauen hatten zu dieser Zeit scheinbar nicht mehr das Recht, ihre gesellschaftliche Position im Totenritual zu präsentieren.

Im Strukturvergleich zwischen dem Aunjetitzer Kulturkomplex und einer matriarchalen Kultur spiegelt die Himmelsscheibe von Nebra sehr deutlich die spirituelle Weltsicht der Aunjetitzer Gesellschaft wieder: Verehrung der dreifaltigen Mondgöttin als Göttin des Kosmos, Verehrung ihrer Tochtergöttin als Planetengöttin Venus, Darstellung eines ganz konkreten Wiedergeburtsglaubens in ihrer Symbolik. Auf der spirituellen Ebene lebte dieser Kulturkomplex auch zu Beginn der Bronzezeit seine matriarchalen Wurzeln weiter fort.

Die Zeit in der die Himmelsscheibe von Nebra geschaffen, genutzt und umfunktioniert wurde spiegelt den Wechsel von einer noch matriarchal geprägten in eine frühpatriarchale Kultur auf höchst eindrückliche Weise wieder.

Ute Grempel

Aus: „Die matriarchalen Wurzeln der Himmelsscheibe von Nebra“ (2009) von Ute Grempel
Abschlussarbeit im Studiengang zur Referentin für Matriarchatsforschung – Akademie Hagia.
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