Region 6
Niederrhein, Eifel, Hunsrück, Pfalz und Saarland
Euskirchen - Bonn - Oberdollendorf (Voreifel)
ein Erlebnisbericht
von Daniela Parr
Etwa in der Mitte unserer dritten Godereise machen wir zwischen
Euskirchen und Bonn Station, um uns die Umgebung näher anzuschauen.
frauenmuseum, Bonn
Zuerst besuchen wir zusammen mit Gudrun Nositschka das frauenmuseum in Bonn. Für unseren Besuch haben wir
uns
ausgerechnet einen Umbautag ausgesucht. Es sind daher einige junge
Leute mit Kisten schleppen und Umorganisieren beschäftigt. Trotz der
umtriebigen
Hektik bekommen wir eine Führung von Marianne Pitzen, die uns sowohl
die gerade im Abbau befindliche Ausstellung, als auch die
Dauerausstellungstücke und das Lager zeigt.
Wir erfahren unt
er anderem, dass sich hinter den Ausstellungwänden
ca. 30 Bilder und Reliefs von weisen Frauen verbergen, deren Alter auf 30.000 Jahre geschätzt wird.Zentralgestalt ist die „Frau von Laussel“, die in Frankreich
gefunden wurde. Sie soll 25.000 Jahre alt sein. Bei einem Umbau werden die Figuren und Bilder freigelegt und können bis zum Aufbau der nächsten Ausstellung angeschaut werden. Leider sind wir
dafür einen Tag zu früh dran. Wir müssen also auf
jeden Fall noch mal wiederkommen.
Die Fotos zeigen die Aufanischen Matronen, die aus dem
Fundament unter dem Bonner Münster ausgegraben wurden. Ihre Bedeutung und Stärke soll durch die Figurengruppen reanimiert werden.
Hier ein Text von Marianne Pitzen über das frauenmuseum in Bonn:
(aus dem Katalog "Frauenmuseen weltweit", Konferenz 9.12.9.2009)
Das Frauenmuseum – ein Novum in der globalen Weltkultur
Als wir im Jahr 1981 in Bonn das erste Frauenmuseum der Welt
gründeten, kam uns dieser Begriff zugleich faszinierend und vermessen vor. „Museum"
hatte eine Aura des Ewigen. Das Museum ist Teil unserer seit Jahrhunderten
entwickelten Kultur und seit dem 19 Jh. durch klare Aufgaben definiert: Sammeln,
Bewahren, Ausstellen und Forschen.
Die Frauenbewegung der 70erJahre richtete auf jeden Bereich
der Gesellschaft ihr wachsames Auge und entdeckte eine ungeheuerliche Lücke
gerade in den Museen, ob Kunst oder historisches Museum: in keiner der musealen
Varianten waren Frauen adäquat präsentiert. 50% der Gesellschaft fehlten, nicht
etwa als gemalter Akt oder unbekleidete Skulptur, sondern die Frauen als
Akteurinnen. Der männliche Blick auf die Frau wurde enttarnt, das gesamte Gefüge
der Kriterien hinterfragt und als Machtinstrument wahrgenommen.
So begaben wir uns ans Werk, für diese Lücke ein Bewusstsein
zu schaffen und wollten zugleich selbstredend das ganze Museum revolutionieren.
Das erste Frauenmuseum wurde logischerweise zu einer der vielfältigsten
Institutionen mit so vielen Aufgaben und experimentellen Phasen, die jeden
Rahmen sprengen. Parallel machte sich auch in den traditionellen Museen Unruhe
bemerkbar. Auch sie veränderten sich und wandten sich nun ihrem Publikum zu: So
wurde das klassische Aufgabenspektrum um das Thema „Vermitteln" erweitert.
Bei dieser Entwicklung spielte der Museologe Michael Fehr eine große Rolle,
indem er das Museum auf den Ursprung des Wortes Museion (griech.) zurückführte
und dabei dem Frauenmuseum Bonn einen nicht unwesentlichen Modellcharakter
zusprach. Ebenso gab die Matriarchatsforscherin Heide GöttnerAbendroth dem
Frauenmuseum ein Fundament aus ihrem Forschungsbereich, so wurde das Museion
als „Tanzplatz der Musen" der Ort lebendigster Kulturarbeit. Entsprechend
entstehen die Programme, Projekte, oft aus aktuellem politischen Anlass. Sie
sollen vor allem ihr Potential an Veränderung in die Gesellschaft hineintragen.
Diese Arbeitsweise ist ganz offensichtlich vielen
Frauenmuseen weltweit eigen: Schon beim ersten Kongress der Frauenmuseen 2008
in Meran wurde deutlich konstatiert, dass die Frauenmuseen für die
Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft zuständig sind. Dieser Anspruch
sprengt zweifellos den klassischen musealen Rahmen. Frauenmuseen sind mehr.
Marianne Pitzen
frauenmuseum, Bonn
Im Krausfeld 10
53111 Bonn
www.frauenmuseum.de
Haus der Frauengeschichte, Bonn
Gleich im Anschluss laufen wir zum nur wenige Meter entfernten Haus der
FrauenGeschichte hinüber, wo wir von Annette Kuhn schon erwartet
werden. Annette Kuhn hat im Jahre 2000 den "Verein zur Förderung des
geschlechterdemokratischen historischen Bewusstseins" gegründet, um das
Haus der FrauenGeschichte zu realisieren.
Das Haus der FrauenGeschichte ist in sieben Räume eingeteilt, denen verschiedene Zei
tepochen
zugeordnet sind. Im Moment sind diese sieben Räume im Erdgeschoss und
Untergeschoss eines angemieteten Hauses verteilt.
Raum 1: Matriarchale Kulturen 40.000 - 3.000 v.u.Z
Raum 2: Frauen in der Begegnung der Kulturen 3.000 v.u.Z - 1350 u.Z.
Raum 3: Frauenwege in die Moderne 1350 - 1550 u.Z.
Raum 4: Frauenbewegung in Europa 1550 - 1850 u.Z.
Raum 5: Geschlechterdemokratie in Deutschland 1850 - 1938 u.Z.
Raum 6: Frauenpolitik und Faschismus 1938 - 1958 u.Z.
Raum 7: Visionen und Konzepte der einen Welt
Zu allen Themen gibt es viele Bücher, Stellwände, Vitrinen und
Exponate. Bei den neuzeitlicheren Themen sind auch Arbeitsergebnisse von
SchülerInnengruppen
ausgestellt,
die zu einem bestimmten Thema gearbeitet haben. Besonders gefallen hat
uns der erste Raum mit der Ausstellung über die matriarchalen Kulturen,
da hier viele Repliken von alten Göttinnenfiguren ausgestellt sind, die
wir in die Hand nehmen und in Ruhe anschauen dürfen. Auch die
zeitgenössischen Themen im Untergeschoss über die Kriegs- und
Nachkriegszeit, die aktuellste Frauenbewegung und die Lebensläufe der
unterschiedlichen Frauen haben uns sehr angesprochen.
Text von Annette Kuhn über das Haus der Frauengeschichte:
In einem "Haus der FrauenGeschichte" sollen - mit
Dauer- und Wechselausstellungen - die abgebrochenen Pfade, die das historische
Frauenleben mit dem Leben der Frauen in der Gegenwart verbinden, wieder
aufgenommen werden. Das Wirken von Frauen in der Geschichte soll sichtbar gemacht
und gewürdigt werden. Die gesamte Me
nschheitsgeschichte von den Anfängen bis in
unsere Tage soll aus Frauensicht (neu) betrachtet werden, so dass die
Kontinuität von matriarchalen Mustern auch in den Kontexten patriarchaler
Geschichte als Grundlage der historischen Entwicklung deutlich wird. Der
traditionell männliche Blick wird relativiert und die ganze Geschichte bekommt ein anderes, ein umfassendes Gesicht.
Annette Kuhn
Haus der Frauengeschichte
Wolfstr. 41
53111 Bonn
www.hdfg.de
Labyrinth Euskirchen
Nachdem wir lecker zu Mittag gegessen haben, zeigen
uns Gudrun Nositschka und Ulla Schmid-Scholz vom Labyrinthverein Euskirchen das
von Frauen angelegte Labyrinth. Es befindet sich an einem zentralen Platz
mitten in der Stadt direkt vor dem Amtsgericht.
In Anlehnung an das Frauen-Gedenk-Labyrinth und dem
Fest der 1000 Frauen in Frankfurt im Jahr 2000, www.frauen-gedenk-labyrinth.de
gestaltet von der Schweizerin Agnes Barmettler, gründeten sie und weitere vom
Labyrinth begeisterte Frauen einen Verein, um von Frauen für die Allgemeinheit
ein Labyrinth anzulegen, zu dem auch Frauenkunst gehören sollte. Die Suche nach
einem geeigneten öffentlichen Platz gestaltete sich schwierig und wurde
schließlich mit Hilfe derStadt gelöst. Die
Wahl fiel auf eine große Wiese mit Baumbestand vor dem Amtsgericht. Der
anfänglich skeptische Amtsgerichtsdirektor konnte von dem Projekt überzeugt
und begeistert werden und unterstützte die Frauen u. a. durch eine Ausstellung
im Foyer des Gerichts.
Der erste Entwurf des Labyrinths von der
Gartengestalterin Brigitte Büskes-Schulz wurde 2002 von den Frauen mit Mehl auf
die Wiese gestreut. Die Rasenspur musste mehrmals im Jahr nachgemäht werden, so
dass eine weniger arbeitsintensive Dauerlösung überlegt wurde. Von der
Finanzierungssumme trotz ehrenamtlicher Eigenleistungen ließen sie sich nicht
abschrecken und begannen in mehreren Spendenaktionen Geld zu sammeln.
Die Liste der UnterstützerInnen ist am Labyrinth und auf
unter www.unser-labyrinth.de mit
Dank vermerkt. Bruchsteine aus Granit und gebrannte Steine wurden zwar
kostenlos zur Verfügung gestellt, doch auch die Abholung durch Laster mit
Fahrern kostete Geld. Unter Anleitung lernten die Frauen Steine zu behauen und
in die Mitte des Labyrinths einzufügen. Noch schwerere Arbeiten wurden
Profifrauen anvertraut. Dabei wurde darauf geachtet, dass das Labyrinth
barrierefrei bleibt, d.h. es kann mit einem Rollstuhl bzw. Kinderwagen befahren
werden. Wir haben uns gefreut, in den gebrannten Steinen auch die Farben der
Göttin wiederzufinden, eben Schwarz, Weiß und Rot.
In einer nächsten Aktion der Frauen sollten die sieben Eichen - Skulpturen der
bekannten Künstlerin Gesa Krieg (heute Gesa Friede) angeschafft und entlang des
3. Labyrinth-Gangs aufgestellt werden, die die weiblichen Aspekte des
menschlichen Lebens darstellen und entlang des 3. Labyrinth – Gangs. Dieser
große Schritt war nur mit Sponsoring der KSK Euskirchen und der
Sparkassenstiftung des Rheinlands und der Großzügigkeit der Künstlerin selber
möglich. Beeindruckt vom Tatendrang der Gruppe schenkte sie dem
Labyrinthvereindie Hälfte ihrer
Figuren. Am 6. Mai 2007 konnte das so gestaltete Labyrinth in einer fröhlichen
Feier präsentiert werden. Im September 2010 hatten die Labyrinthfrauen
Euskirchen die Freude, den 5. Internationalen Labyrinthkongress
auszurichten.
Im letzten Schritt wurden 2013 Steinbänke angeschafft, die entlang des
Labyrinthweges aufgestellt sind und zum Verweilen einladen. Durch
kontinuierliches Engagement der Gruppe hat sich die Wiese vor dem Amtsgericht
in einen wundervollen Platz verwandelt. Es blüht zu jeder Jahreszeit etwas, die
Büsche auf dem Erdwall werden bewusst niedrig gehalten, damit frau sich
gleichzeitig sicher und an dem Platz gut geschützt fühlt. Das Labyrinth wird
von den Menschen vor Ort und Gästen gut angenommen und oft besucht. Mehrmals im
Jahr laden die Frauen zu (Jahreszeiten-)Feste ein, im Jahr 2013 zu den Sonnen-Festen.
Weitere begehbare Labyrinthe sind zu finden unter www.labyrinth-international.org
Steinkreis Oberdollendorf
Zum
Abschluss des Tages fahren wir nach Oberdollendorf, wo wir nach dem
Steinkreis fragen. Wir erhalten mehrfach die Auskunft, dass es hier
keinen Steinkreis gibt. Erst, als wir ein Foto vorzeigen sagt eine Frau:
"Ach, das ist da oben, aber ich wusste nicht, dass es ein Steinkreis
ist". Wir folgen ihrer Wegbeschreibung un
d finden oben einen nahezu
perfekten Kreis aus Steinen. In der Mitte sehen wir die Reste eines
abgebrannten Lagerfeuers. Wir vermuten einen früheren zweiten Steinkreis
um den ersten herum, da hier und da ein Stein außerhalb des Kreises
liegt. Auf einem Schild lesen wir, dass der Hang um den Steinkreis herum
abgetragen wurden. Vermutlich hatte deshalb der zweite Steinkreis nur
noch teilweise Platz auf dem Hügel. Die Steine des zweiten Kreises
wurden vermutlich beim Hausbau in der Umgebung oder beim Mauerbau in den
umliegenden Weinbergen verwendet.
Vom Steinkreis aus haben wir einen guten Blick auf den Rhein unten im
Tal. Sowohl nach links, als auch nach rechts existieren Sichtlinien zu
den nächstliegenden Erhebungen. Auch der Ausblick geradeaus über den
Rhein ist gigantisch und reicht bis zum 30km entfernten Observatorium.
Wir können uns gut vorstellen, dass hier oben zu bestimmten Festen ein
Feuer gemacht wurde, das von den anderen Bergen und von weiter Ferne
aus noch gut zu sehen war. Auch die Kirche hat nicht vergessen, genau
unterhalb des Steinkreises an der Hangkante ein Kreuz
aufzustellen. Hier könnte früher der Weg zum Steinkreis heraufgeführt haben. Auch ein alter Pilgerweg wäre denkbar.
Gisela Graichens Kultplatzbuch entnehmen wir, dass Stein 3 zum Sonnenaufgang zur Sommersonnenwende ausgerichtet
ist, Stein 6 weist zur Wintersonnenwende, Stein 7 auf den Drachenfels und Stein
15 auf das Bonner Münster. Für jeden Stein gibt es eine bestimmte Ausrichtung. Das finden wir sehr beeindruckend.
Der Platz macht energetisch auf uns einen sehr ruhigen Eindruck und
lädt zum Verweilen ein. Wir fühlen uns hier oben sehr wohl und genießen
die Aussicht und die Abendsonne.
Als wir gerade gehen wollen, entdecken wir am anderen Ausgang amüsiert
ein Schild: "Historischer Steinkreis". Es ist also doch ein Steinkreis!
Der Steinkreis von Oberdollendorf ist die Sehenswürdigkeit Nr.6 am
Weinwanderweg. Wanderfreudige können von hier aus direkt auf der
Wanderroute weiterwandern oder den Steinkreis zusammen mit den anderen
Punkten am Weinwanderweg anschauen.
Daniela Parr
Hinweis:
Terminlich war die Tour für uns nur in dieser Reihenfolge möglich. Es
empfiehlt sich, die Orte in der Reihenfolge Euskirchen - Bonn -
Oberdollendorf oder umgekehrt anzufahren.