Teutoburger Wald, Münsterland, Bergisches Land, Sauerland, Westerwald
Anfang der 90er Jahre nahm mich meine Freundin mit zu einem Ausflug zur Drüggelter Kapelle. Sie hatte sie kurz zuvor kennen gelernt und war so beeindruckt, dass sie sie mir unbedingt zeigen wollte. Es war für mich ein ganz besonderes Erlebnis, denn in dieser kleinen Kirche habe ich das erste Mal die Kräfte der Erde gespürt. Im nächsten Jahr fuhren wir dann mit einer größeren Frauengruppe dorthin, um ein Jahreskreisfest zu feiern, auch die anderen Frauen empfanden die Atmosphäre hier als etwas ganz besonderes.
Ihre Lage am Möhnesee im Ortsteil Delecke, auf dem Gelände eines heute als Restaurant betriebenen Hofes prädestiniert sie als lohnendes Ausflugsziel (BAB 44, Abfahrt Soest, B 229 in Richtung Arnsberg).
Im Volksmund wird die Kapelle immer noch „Heidentempel“ genannt, es soll früher – vor dem Bau – auch einen Hexentanzplatz gegeben haben. Das weist auf einen vorchristlichen Kultort hin, auch wenn der Bau selbst vermutlich von einem Grafen anlässlich seines Kreuzzuges als Nachbau der Jerusalemer Grabeskirche errichtet worden sein soll. Aber das ist ja nichts ungewöhnliches, dass ein alter heiliger Ort mit einem christlichen Neubau überbaut wurde. Urkundlich erwähnt wurde sie erstmals 1227 n.u.Z.[1]
Die Kapelle weicht in vielem von dem üblichen Eindruck eines Kirchenbaues ab und steckt voller geheimnisvoller Symbole. Schon im Eingang, über der Tür, geht man unter 12 Akkazeichen (X) hindurch (Abb. 2). Dieses Ideogramm, eines der ältesten Zeichen der Menschheit, bildet in abstrahierter Form die Sonnenauf- und Untergänge zu den Sonnenwenden ab. Hier ist vielleicht ein erster Hinweis darauf, dass diese Kapelle offensichtlich auch astronomische Gesichtspunkte aufweist (was allerdings nicht einen heidnischen Ursprung beweist, weil das frühe astronomische Wissen von den christlichen Architekten weiter genutzt und in die Bauten integriert wurde, also eher als Weiterführung einer vorchristlichen Tradition zu werten ist).
Die Kapelle selbst ist ein Rundbau mit einer
Apsiserweiterung (Abb. 3). In der Mitte stützen vier Säulen in romanischem Stil
mit Rundbögen die Decke. Darum herum stehen 12 Säulen, die ein Kreuzgewölbedach
stützen. Der Schmuck auf den Sockeln und Kapitellen weist Besonderheiten auf.
Auf einer der beiden Mittelsäulen zeigt das eine Kapitell Gesichter, vier an
den Seiten, vier an den Ecken (Abb. 4). Sind das die vier Blickrichtungen in
die Himmelsrichtungen zu den Sonnenwendtagen und Tag- und Nachtgleichen sowie
den dazwischen liegenden Mondfesten? Eine der anderen Säulen hat auf ihrem
Kapitell an einer Seite eine Figur, die wie ein Frucht tragender Baum aussieht
und mit einem Muster ganz aus Akkazeichen verziert ist (Abb. 5). Die beiden
anderen Säulen in der Mitte sind offensichtlich nachträglich bearbeitet. Bis
ins 16. Jahrhundert hinein sollen sie figürlich ausgearbeitet gewesen, aber
dann mit einer Mauer umbaut worden sein (Abb. 6).
Für mich sehr interessant ist, dass eine der Säulen die dreiköpfige Göttin Trigla dargestellt haben soll, und dass der Name Drüggelte vom Namen der Göttin abgeleitet worden ist! „Der Historiker
Herman Stangefol berichtet 1656 über die Drüggelter Kapelle: „Dort im sehr alten Tempel, der noch immer steht, gab es einst ein Bildnis der Göttin Trigla, das drei Köpfe hatte, zu dem sich die Heiden in höchsten Nöten, um Beistand flehend, gewöhnlich flüchteten. Es ist glaubhaft, daß von eben jenem Bild dieses Dorf seinen Namen abgeleitet hat. Diese Statue ging 1583 im Truchsessischen Krieg ganz unter.“[2] Zur Göttin Trigla habe ich – außer den Nennungen, die mit Drüggelte selbst zusammenhängen – nur einen Hinweis gefunden: „Trigle“ ist ein Name der Göttin Hekate.[3] Auch Hekate ist eine dreiköpfige oder dreigesichtige Schutzgöttin, „zuständig“ für Wegkreuzungen, Schwellen und Übergänge (Abb.7).
Die Mitte zwischen den vier Säulen ist ein ganz besonderes Kraftzentrum. Radiästhetische Untersuchungen ergeben „eine eher seltene Kreuzung zweier rechtsdrehender Wasseradern mit einer rechtsdrehenden Verwerfungsstruktur und einem diagonal dazu verlaufenen rechtsdrehenden Riss/Spalt, der genau die Südost-Säule im äußeren Ring mit dem Zapfen trifft.“[4].Hier war es bei meinem ersten Besuch gewesen, dass ich erstmals in meinem Leben die Kraftströme spürte, die durch mich aus der Erde in den Himmel hinein zogen. Und nun, bei diesem Besuch, suchte ich – wie auch meine Freundinnen – natürlich genau diese Stelle erneut. Wir zogen sogar unsere Schuhe aus, um möglichst nah und intensiv dieses Gefühl zu erleben, erstaunt und amüsiert beobachtet von zwei anderen Besucherinnen. Eine von uns summte leise ein Lied vor sich hin, denn gerade in der Mitte ist die Akustik so wunderbar. Da kam ein aufmunterndes „Singen Sie ruhig lauter, wir hören gerne zu!“ von den beiden anderen Frauen. Das ließen wir uns nicht zweimal sagen und baten die beiden zu uns in den Kreis. Von da an gab es ein Singen, Erzählen, Berichten und Kennen lernen, das gar nicht wieder aufhören wollte. Eine der Frauen kannte sich sehr gut mit der Kapelle aus und erzählte uns eine Menge Neuigkeiten.
So z.B. die Bedeutung der Symbole an den 12 Säulen des
Umgangs. Einige zeigen an den Kapitellen besondere skulpturelle Ausarbeitungen
wie drei Gesichter und einen Widderkopf, Blütenstände, eine Sonne oder
abstrakte Zeichen. Es ist gar nicht so abwegig – vom Widderkopf ausgehend (Abb.
8)– jede Säule einem Tierkreiszeichen
zuzuordnen.
Deutlich zu erkennen ist die Vulva der Jungfrau-Säule auf der einen
Seite, auf der anderen eine stilisierte Form der Eierstöcke (Abb. 9+10).
Relativ sicher können noch die Kapitelle der Löwen- (Abb. 11) und der
Zwillingssäulen (Abb. 12) zugeordnet werden, die weiteren Symbole auf den
Kapitellen können nur aufgrund des Standortes bestimmt werden: die Sonne müsste
die Waage-Säule (Abb. 13), der Blütenstand die Krebs-Säule (Abb. 14) schmücken.
Die anderen Kapitelle zeigen keine Besonderheit.
Interessant sind auch die Eckverzierungen an den Basen der Säulen. Steinböcke – allerdings nicht am Standort der Steinbocksäule (Abb. 15), Gesichter – auch nicht am Standort der Wassermannsäule (Abb. 16) und Mondhörner oder Sichelmondform (Abb. 17), diese sogar an mehreren Säulen.
Die Kennerin der Kapelle wies uns im Weiteren darauf hin, dass vier der Fenster in zwei sich kreuzenden Achsen zueinander stehen, deren eine den Einfall der Sonne beim Aufgang der Sommersonnenwende und beim Untergang der Wintersonnenwende zeigt, während die beiden anderen Fenster die Sonne an den beiden Tag- und Nachtgleichen einlassen. Die Achsen stehen nicht rechtwinklig zueinander, so dass sie das Akkazeichen abbilden. Dieses Symbol kommt also zum dritten Mal im Gebäude vor. Korrespondierend dazu ist noch eine alte Wandmalerei erhalten, die wie ein Teppichmuster Quadrate mit achtstrahligen Sternen zeigt (Abb. 18) – eine abstrakte Darstellung der acht Feste im Jahreszeitenzyklus?
Alles zusammen: die Häufung des Akkasymbols, die 12 Säulen mit den Tierkreiszeichen, die Kapitelle mit den acht Gesichtern weisen einen Bezug zum Jahreskreis auf. Wenn die Kapelle auch in christlicher Zeit errichtet wurde, hat die Gemeinde ihr sicherlich bisheriges Eingebettetsein in den Jahreskreis in ihre Gottesdienste mit hineingenommen und dem auf diese Weise architektonisch und künstlerisch Ausdruck gegeben.
Der Vollständigkeit halber seien noch die deutlich christlichen Elemente aufgeführt, die einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Charakter der Kapelle haben:
Die wie eine Ausstülpung des kreisförmigen Grundrisses geformte Apsis beherbergt einen Altar mit einer sehr schlichten, altertümlichen Kreuzigungsgruppe. Das nach Osten weisende Fenster lässt viel Licht ein, sodass es in der Kapelle selbst recht hell ist. Einen sehr unangenehmen Eindruck macht eine Lampe, die genau in der Mitte herabhängt. Wir alle fühlten, dass durch das Material (drei Metallarten Kupfer, Bronze und Silber) und die Form (ein Mittelteil zeigt mit einer Spitze nach unten, darum herum sind ringförmig vier Platten mit biblischen Motiven angeordnet) die gesamte Atmosphäre in der Kapelle beeinflusst ist, besonders aber die Kraftströme abgeschwächt sind, die ja durch den energetischen „Schuss“ des spitzen Mittelteils direkt getroffen werden. Nach Auskunft unserer Gewährsfrau ist diese Lampe erst vor drei oder vier Jahren angebracht worden, viele Stimmen haben ihre Entfernung bereits gefordert.
Natürlich lassen sich einige der oben beschriebenen Symbole auch christlich deuten. Schließlich sind die Jahreskreisfeste ins Kirchenjahr integriert, und bis heute werden sie in der katholischen Kirche, zunehmend auch in der evangelischen gefeiert. Nicht weit von Drüggelte entfernt gibt es eine kleine Kirche in Wormbach, in der die Tierkreiszeichen wichtiger Bestandteil der Deckenmalerei sind. Auch die Bedeutung der „Widdersäule“ (Abb. 8) kann dahingehend gedeutet werden, dass der Widder als Symbol des christlichen Lamms, der nach Osten zeigt, der Hinweis auf den „richtigen“, christlichen Weg gibt, während die drei Köpfe, die in die anderen Richtungen zeigen, den verteufelten Drei-Götter-Kult meinen.[5]
Lange haben wir sechs dort in der Mitte gestanden, uns auf unsere Entdeckungen hingewiesen, uns unser Wissen und unsere Vermutungen mitgeteilt. In der Zwischenzeit war es Mittag geworden und der erste Hunger meldete sich. Wir vier vom Niederrhein hatten alles für ein Picknick mit, zu dem wir die beiden Frauen einluden. Nebenan lag der von Kastanienbäumen angenehm beschattete Biergarten des Restaurants. Wir holten uns die Erlaubnis, unser Picknick auf einem bereits aufgestellten Tisch mit Bänken ausbreiten zu dürfen. So hatten wir noch eine weitere lange Zeit gemeinsam, in der wir schmausten und uns weiter unterhielten. Die Begegnung war so harmonisch, belebend, informativ und stärkend, dass wir auf die Bitte einer von uns noch einmal zurück in die Kapelle gingen, um dort für sie ein Heilungsritual durchzuführen. Das tat uns allen gut. Mit einem Lied nahmen wir bewegt voneinander Abschied.
Friederike Bleul-Neubert
Bildnachweis:
Abb. 3: Eberhard Linnhoff, Kurzführer
Abb. 6: Gisela Bautz
Abb. 7: Statue im Rijksmuseum Oudheden www.rmo.nl
alle anderen: Friederike Bleul-Neubert
[1] Eberhard Linnhoff: Die
Drüggelter Kapelle, Kurzführer und
Peter Wirth:
Betrachtungen zur Drüggelter Kapelle, www.moehnesee.de
[2] Wikipedia, Stichwort Triglav (eine vermännlichte Form der Göttin?). Die Stichhaltigkeit der Vermutung des Historikers Stangefol wird angezweifelt von Paul Derks: Trigla Dea und ihre Genossen. Drüggelte und sein angeblicher Heidentempel. Soester Zeitschriften 101 (1989), S. 5-78. Dazu würde passen, dass die Kirche niemals zerstört gewesenist (Peter Wirth, s.o.), mit dem „alten Heidentempel“ also vielleicht ein in der Nähe stehendes Gebäude gemeint war.
[3] artemisathene: Hekate – die Vielgesichtige und Vielgestaltige. in: Schlangengesang, Rundbrief für Göttinnenspiritualität, S. 11, www.schlangengesang.de/archiv /44.pdf
[4] Reiner Padligur: Die
geomantische und radiästhetische Erdstrahlenstruktur der Drüggelter Kapelle.
www.reiner-padligur.de/info_drueggelter_erdstrahlen.htm#
.
Reiner Padligur ist außerdem nach seinen Untersuchungen der
Auffassung, dass die Statue der Trigla Dea nicht in der Kapelle selbst, sondern
an einer weiteren Kraftzentraleetwas weiter
nördlich gestanden haben muss.
[5] Reiner Padligur, a.a.O.